Die Daemonenseherin
Verfolger auszumachen und loszuwerden.
»Wo bist du jetzt?«, wollte sie wissen.
»In einem Pub in der Innenstadt.« Tatsächlich waren im Hintergrund Stimmen über gedämpfter Musik zu hören, immer wieder unterbrochen von Gelächter, dem Klappern von Geschirr und dem leisen Klirren von Gläsern. »Ich werde die Stadt noch heute verlassen. Aber vorher würde ich dich gerne noch einmal sehen.«
»Was ist mit dem Chip?«
»Folie – wie immer.«
»Ich kann dir helfen.« Wenn es ihr nur gelang, Logan zu überzeugen, Susannah ebenfalls zu verstecken! »In einer Stunde am üblichen Ort.«
Susannah schwieg. Sie schien darüber nachzudenken. Schließlich sagte sie: »In Ordnung, ich denke, dort ist es sicher. Ich werde da sein. Und du, sei vorsichtig: Burke ist hinter dir her.« Dann legte sie auf.
Susannahs letzte Worte hallten wie ein Paukenschlag in Alessas Gehirn nach.
Als sie ihr Handy wieder in die Tasche schob und sich zu den Männern umwandte, hatten die drei in ihrem Kartenspiel innegehalten und sahen sie an.
Parker war der Erste, der die Stille brach, die sich schlagartig wie ein Leichentuch über den Raum gelegt hatte. »Du kannst nicht von hier fort.«
»Auf keinen Fall«, stimmte Kent ihm zu.
»Bitte«, flehte Alessa. »Sie ist meine Freundin. Wenn wir einen Weg finden, mir zu helfen, dann geht es auch bei ihr. Ich kann sie nicht ohne Hoffnung da draußen lassen.« Sie schüttelte den Kopf und fügte leise hinzu: »Ich weiß noch zu gut, wie das ist – allein zu sein.« Die Angst war das Schlimmste, sie überwog die Einsamkeit bei Weitem. Burke ist hinter dir her. Alessa wusste nicht, was Susannah durchgemacht hatte, wenn sie jedoch daran dachte, was Logan ihr über den Zustand von Susannahs Wohnung erzählt hatte, der entweder von einer Entführung oder einem sehr plötzlichen Aufbruch zeugte, bezweifelte sie, dass sie es im Augenblick zu genau wissen wollte.
»Bitte«, sagte sie noch einmal, diesmal eindringlicher.
Avery schüttelte den Kopf. »Logan wird mir den Arsch aufreißen, wenn ich dich allein gehen lasse.«
»Dann lass sie nicht allein gehen.« Die Ruhe und Entschlossenheit in Kents Stimme täuschte Alessa nicht über sein Pokerface hinweg. Er hatte Angst um sie, doch er schien genau zu wissen, wie wichtig Susannah für Alessa war – und dass sie sich nicht aufhalten lassen würde. Auch wenn sie im Augenblick nicht die geringste Ahnung hatte, wie sie an einem Schrank wie Avery vorbeikommen sollte, wenn er es darauf anlegte, sie hierzuhalten.
Avery sah Kent lange an, dann wanderte sein Blick zu Parker. »Seid ihr sicher?«
Die beiden nickten.
»Ich glaube nicht, dass Parker und ich wirklich in Gefahr sind. Wir waren lediglich zur falschen Zeit am falschen Ort. Obwohl«, sagte er mit einem Blick zu Alessa, »ich froh bin, dass wir dort waren.«
Und ich erst.
Dem blonden Agenten war deutlich anzusehen, wie wenig ihm das alles gefiel. Er verließ seinen Poker-Sessel, baute sich vor Alessa auf und musterte sie eingehend. »Wenn wir gehen – und ich meine falls überhaupt –, wirst du dann auf das hören, was ich dir sage?«
Er wirkte so ernst und militärisch, dass Alessa Mühe hatte, nicht die Hacken zusammenzuschlagen und zu salutieren. Ein »Jawohl, Sir« konnte sie sich allerdings nicht verkneifen.
Grinsend warf Avery einen Blick auf seine Uhr. »Meine Ablösung müsste ohnehin bald kommen. Können wir noch so lange warten?«
Alessa schüttelte den Kopf. »Es ist Rushhour und ich habe mit Susannah vereinbart, in einer Stunde am Treffpunkt zu sein.«
»Dann sollten wir wohl besser aufbrechen.« Er bückte sich, schob das rechte Bein seiner Camouflagehosen nach oben und offenbarte den Blick auf ein Holster, in dem eine kleine Pistole steckte. Mit geübten Griffen schnallte er es ab und reichte es Parker. »Am besten lässt du es in einer Schublade verschwinden, damit die Schwester keinen Schreianfall bekommt.«
23
I m Eilschritt hetzten sie den Flur entlang und aus dem Gebäude zum Wagen. Alessa war froh, Avery an ihrer Seite zu haben. Sie wäre allein gegangen, wenn es hätte sein müssen. Nach allem, was in den letzten Tagen passiert war, fühlte sie sich so jedoch wesentlich wohler. Einen Moment lang war sie versucht, Logan anzurufen und ihm zu sagen, was sie vorhatte, da sie ihn jedoch nicht beunruhigen wollte, ließ sie das Handy stecken.
»Okay«, sagte Avery, kaum dass sie im Wagen saßen. »Wo müssen wir hin?«
»Zur Nationalgalerie.«
Er ließ den Motor an und
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