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Die Daemonenseherin

Die Daemonenseherin

Titel: Die Daemonenseherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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sonst so hellen Augen wirkten eine Spur dunkler. »Es tut mir leid, ich kann nichts für Sie tun.«
    »Sie wissen doch noch gar nicht, was ich sagen wollte.«
    »Ich sehe es in Ihren Augen.« Er schob seine Brille hoch und seufzte. »Für Ihr Problem gibt es keine Lösung. Wenden Sie sich an Devon Drake, das neue Oberhaupt des Rates.«
    Seine Worte waren wie ein Schlag ins Gesicht. Trotzdem war Alessa nicht bereit aufzugeben. Jetzt nicht mehr – und den Rat würde sie garantiert nicht einweihen. Sie hatte sich schon zu lange im Gefühl der Hoffnungslosigkeit gesuhlt. Es war an der Zeit, dass sie zu kämpfen begann – für sich und die anderen, die waren wie sie. Ganz gleich, was der Professor sagte, sie würde sich nicht einfach abwimmeln lassen. »Vielleicht gibt es im Augenblick ja wirklich keine Lösung, aber wenn Sie –« Das Schrillen der Türklingel ließ sie verstummen. Sie sah den Professor an und fand in seinen Augen denselben Schrecken, der auch ihr durch die Glieder gefahren war.
    »Ist jemand bei Ihnen?«
    Alessa schüttelte den Kopf.
    »Dann ist es besser, wenn niemand erfährt, dass Sie hier sind.« Er deutete zum Wohnzimmer. »Da hinüber.«
    Das leise Knarren der Dielen kam in Alessas Ohren einem Donnern gleich, als sie an der Eingangstür vorbei ins Wohnzimmer liefen. Es war lächerlich, denn der Besucher war noch unten, am Hauseingang, trotzdem hatte Alessa das Gefühl, als könne jeder Laut ihre Anwesenheit verraten. Sie war froh, dass der Professor sie vor seinem Besucher verstecken wollte. Andernfalls hätte sie selbst verschwinden müssen. Sie konnte es sich nicht erlauben, gesehen zu werden. Kaum hatten sie das Wohnzimmer betreten, klingelte es erneut. Der Professor riss die Schranktür auf, rückte die Kleiderbügel mit seinen Anzügen zur Seite und schob Alessa hinein.
    »Rühren Sie sich nicht vom Fleck, bis ich Sie wieder heraushole.« Begleitet von einem weiteren Kreischen der Klingel schloss er die Schranktür. Dunkelheit legte sich über Alessa und drohte sie zu ersticken. Sie wollte einen Schritt zurückmachen, wurde jedoch von der Rückwand gebremst. Neben sich spürte sie auf der einen Seite den Stoff von Sakkos, Hosen und Hemden, auf der anderen die Seitenwand. Das Gefühl, gefangen zu sein, trieb ihren Herzschlag in einen rasenden Galopp. Das Blut rauschte in ihren Ohren und machte es unmöglich, die Schritte des Professors länger zu hören. Das ist nur ein Schrank , versuchte sie sich zu beruhigen. Ein dummer, harmloser Schrank, in dem du wartest, bis der Besuch des Professors fort ist. Warum, zum Teufel, hatte er sie nicht in einem der anderen Zimmer verstecken können? Alessa schloss die Augen und konzentrierte sich auf ihren Atem.
    Einatmen.
    Ausatmen.
    Ein.
    Aus.
    Ihr Herzschlag beruhigte sich, und als sie die Augen wieder öffnete, sah sie, dass es nicht völlig finster war. Zwischen den Lamellen fielen schmale Lichtstreifen in den Schrank herein. Erleichtert sank sie zu Boden. Die Beine an den Körper gezogen kauerte sie in der Enge und lauschte. Ihre Angst, dass der Professor ihre Anwesenheit verraten würde, war groß. Die Vernunft sagte ihr, dass er sich kaum die Mühe machen würde, sie zu verstecken, wenn er das vorhätte, doch sie war während der letzten Jahre so sehr auf der Hut gewesen, dass es ihr schwerfiel, auf das Wohlwollen anderer zu vertrauen.
    Ein Klopfen an der Wohnungstür riss sie aus ihren Gedanken.
    Die Stimme des Professors erklang. »Was kann ich für Sie – o mein Gott!«
    Schritte, unregelmäßig, taumelnd, dann ein gedämpfter Knall, gefolgt von einem dumpfen Schlag.
    Alessa veränderte ihre Position, drückte das Gesicht an die Lamellentür und spähte nach draußen, in Richtung des Flurs. Professor Sparks lag auf der Schwelle zum Wohnzimmer, einen roten Punkt zwischen den aufgerissenen Augen, die starr an die Decke blickten. Über ihm ragte ein Mann auf. Eine Sturmhaube verdeckte sein Gesicht, doch es war die Pistole in seiner Hand, die Alessas Herz zum Rasen brachte.
    Der Maskierte richtete seine Waffe auf den Professor und drückte noch einmal ab. Ein Schalldämpfer nahm dem Schuss seine Schärfe, trotzdem zuckte Alessa zusammen. Sie wollte den Blick abwenden, doch sie wagte nicht, den Maskierten aus den Augen zu lassen. Der Unbekannte stieg über den Wissenschaftler hinweg und kam ins Wohnzimmer. In der Mitte des Raumes blieb er stehen und sah sich langsam um. Als er Alessas Jacke auf dem Sofa entdeckte, fuhr er herum und stürmte mit

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