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Die Daemonenseherin

Die Daemonenseherin

Titel: Die Daemonenseherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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ihr stand ein Mann, maskiert mit einer Sturmhaube und richtete eine Pistole auf sie. »Ich werde dich finden!«
    Dann drückte er ab.
    Alessa fuhr so heftig hoch, dass sie den Tee verschüttete. Erschrocken und desorientiert sah sie sich um. Kein Stahltank und auch kein Maskierter mit einer Waffe – nur ihr Zimmer.
    »Bloß ein Traum«, versuchte sie sich selbst zu beruhigen, doch ihre Hand zitterte noch immer. Es war mehr als das – es war die Vergangenheit, die sie einholte. Sie hatte geglaubt, sie könne das Labor und alles, was geschehen war, hinter sich lassen, aber das war nicht möglich. Nicht, solange diese Kreatur in ihrem Leib saß und Alessa Gefahr lief, eines Tages von ihr zerrissen zu werden.
    Um sich abzulenken und ihren zitternden Händen etwas zu tun zu geben, brachte sie die Tasse zur Spüle und wechselte das Bettlaken, über das sie den Tee verschüttet hatte. Selbst heute, drei Jahre nachdem Doktor Burke ihr den Dämon hatte einpflanzen lassen, erschien es Alessa noch immer wie ein Wunder, dass ihr nicht nur die Flucht aus dem Labor gelungen, sondern sie auch noch am Leben war.
    Die Monate, nachdem sie mit schmerzender Schulter zu sich gekommen war, waren eine einzige Qual gewesen. Wenn man sie nicht ins Labor geholt hatte, um Messungen vorzunehmen und sie verschiedenen Tests zu unterziehen, hatte man sie in den Stahltank gesperrt. Dunkelheit, Einsamkeit und Kälte sollten den unkontrollierten Ausbruch des Dämons verhindern, der nun ihren Körper bewohnte. Mehr als einmal wurde sie in künstlichen Schlaf versetzt, solange man sie nicht im Labor benötigte. Jeder Kontakt zu den anderen Probanden wurde unterbunden, nur von Zeit zu Zeit gelang es ihr, einen Blick auf den einen oder anderen zu erhaschen, wenn sie zu einem der Laborräume geführt wurden. Sie sah die Krankenhauskittel und die Bandagen auf den Schultern der anderen und wusste Bescheid.
    Es war eine Art Samenkorn, das man ihr unter die Haut gepflanzt hatte. Wenn sie die Stelle berührte, konnte sie es unter ihren Fingerspitzen spüren. Und es wuchs. Wann immer sie ihre Kräfte benutzte, begann es zu pulsieren und dehnte sich weiter aus. Sie spürte den Zorn der Bestie in sich, spürte, wie dieses von Menschen geschaffene Monster sie innerlich zu zerreißen drohte, und kämpfte dagegen an. Sie weigerte sich, länger auf ihre Kräfte zurückzugreifen, ganz gleich wie schlimm die Strafe dafür auch sein mochte, und mit der Zeit lernte Alessa, in ihren Gedanken eine Mauer zu errichten, die den Dämon von ihrem Bewusstsein abspaltete – und mit ihm ihre Kräfte.
    Das Samenkorn, das mittlerweile die Größe einer Walnuss hatte, wuchs nicht mehr weiter – im Gegensatz zu Alessas Widerstand.
    Ein einziges Mal griff sie noch auf ihre Fähigkeiten zurück, als sie telepathischen Kontakt zu den anderen Mitgefangenen aufnahm. Sie übermittelte ihnen in Bildern, wie sie den Dämon unter Kontrolle halten konnten, und entwarf einen Fluchtplan. Es war ihren einzigartigen telekinetischen Fähigkeiten zu verdanken, dass ihnen die Flucht tatsächlich gelang und der Dämon Alessa nicht zerriss, als sie ihre Kräfte entfesselte.
    Denn in einem hatte Doktor Burke recht behalten: Durch den Dämon waren ihre Fähigkeiten stärker als jemals zuvor.
    Sobald das Anwesen der Gemeinschaft hinter ihnen lag, hatten sie sich getrennt. Falls einer von ihnen geschnappt wurde, konnte er zumindest – ob bewusst oder unbewusst – die anderen nicht verraten. Einzig zu Susannah hatte sie die Verbindung aufrechterhalten. Keine wusste, wo die andere wohnte, doch sie hatten ihre Handynummern ausgetauscht und trafen sich von Zeit zu Zeit in der schottischen Nationalgalerie an der Princes Street. Susannah war die einzige Freundin, die Alessa nach ihrer Flucht geblieben war. Neue Bekanntschaften vermied sie aus Furcht, jemand könne herausfinden, was sie wirklich war.
    Seit ihrer Flucht lebte sie in diesem winzigen Zimmer. Die Miete war günstig, denn ihr Vermieter, dem der Zeitschriftenladen im Erdgeschoss gehörte, nutzte den Flur ihrer Wohnung als Lager. Ihren Lebensunterhalt verdiente sie sich in seinem Laden, wo sie an fünf Tagen in der Woche Zeitungen, Zigaretten und Süßigkeiten verkaufte. Es war das ideale Versteck, denn außer ihr wohnte niemand in dem baufälligen Haus. Die anderen Wohnungen waren heruntergekommen und nicht mehr bewohnbar, und solange Mr Farnsworth das Geld für die Renovierung fehlte und er nicht plötzlich begann sie mit Fragen über ihre

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