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Die Daemonenseherin

Die Daemonenseherin

Titel: Die Daemonenseherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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verspürt hatte, weigerte Alessa sich, diesen Funken wieder erlöschen zu lassen. Sie wollte nicht zurück in den Stumpfsinn dieser gleichförmigen Tage, an denen sie nichts anderes tat, als auf das Ende zu warten.
    Sie wollte leben!
    Es musste einen Weg geben, sich von dem Dämon zu befreien, und Alessa war wild entschlossen, ihn zu finden. Sollte sie dabei umkommen, war das eben der Preis. Alles war besser, als weiterhin wie eine lebende Tote in ihrem eigenen Körper gefangen zu sein.
    »Doktor Burke wird ihr blaues Wunder erleben!«, versprach sie sich selbst. Wenn es ihr gelang, sich von dem Dämon zu befreien, konnte sie auch die anderen heilen, die waren wie sie.
    Alessa begriff immer noch nicht, wie Doktor Burke dieses Risiko hatte eingehen und die Versuche hatte fortsetzen können. Die Ärztin hatte doch gesehen, was mit den Probanden der ersten Versuchsreihe geschehen war! Doch selbst nachdem Professor Sparks sich aus dem Projekt zurückgezogen hatte, war Doktor Burke nicht bereit gewesen aufzugeben. Anfangs hatte sich Alessa nichts dabei gedacht, als die Ärztin sie angesprochen und gebeten hatte, an einem Versuch teilzunehmen. Sie hatte weder von den Dämonen gewusst noch von dem Massaker, das die erste Versuchsreihe beendet hatte. Alles, was man ihr gesagt hatte, war, dass man herausfinden wolle, ob es möglich sei, die Fähigkeiten der Seher zu verstärken und vielleicht sogar auszubauen. Doktor Burke wusste um das Ausmaß von Alessas Kräften, deshalb war es ihr wichtig gewesen, sie dabeizuhaben.
    Professor Sparks war lange vor den Ereignissen am Leith Walk auf Alessa zugekommen, um sie für das Projekt zu gewinnen. »Unsere erste Versuchsreihe erzielt große Fortschritte«, hatte er erklärt. »Wir wollen sehen, wo die Grenzen liegen und ob wir selbst eine so ausgeprägte Gabe wie die Ihre noch verstärken können.«
    Obwohl sie es nicht darauf anlegte, ihre Fähigkeiten zu erweitern, hatte sich Alessa bereit erklärt, die Forschungen zu unterstützen. Über einen längeren Zeitraum waren Messungen ihrer Kräfte vorgenommen worden, man hatte sie Tests unterzogen, um zu sehen, wie hoch die Trefferquote ihrer Vorhersagen war, über welche Fähigkeiten sie zusätzlich verfügte und in welchem Ausmaß diese vorhanden waren.
    Seit ihrer frühesten Kindheit hatte Alessa das zweite Gesicht. Sie erinnerte sich an den furchtsamen Blick ihrer Eltern, wann immer sie sie berührt hatte. Die Angst davor, sie könne ihnen ihren eigenen Tod vorhersagen, hatte ihre Mutter und ihren Vater beinahe aufgefressen. Doch die Hellsichtigkeit war nicht ihre einzige Gabe. Manchmal, wenn sie sich konzentrierte, war sie schon damals imstande gewesen, die Gedanken anderer zu lesen. Dort hatte sie ein Wort gefunden, das sie zutiefst verstörte: Monster. Unser Kind ist ein Monster! Alessa hatte ihre Fähigkeiten immer für etwas Besonderes gehalten, etwas Gutes. Zu sehen, dass sich ihre eigenen Eltern vor ihr fürchteten, sie für etwas Abartiges hielten und am liebsten aus ihrem Leben bannen wollten, hatte die Gabe in ihr verstummen lassen. Zwei Jahre war keine einzige Vorhersage über ihre Lippen gekommen und trotzdem hatte sich nichts am Blick ihrer Eltern geändert.
    Kurz nach ihrem sechsten Geburtstag waren zwei Fremde gekommen – ein Mann und eine Frau – und hatten Alessa mitgenommen. »Es gibt einen Ort«, hatte die Frau ihr erklärt, »an dem du besser aufgehoben bist als hier.«
    Anfangs hatte Alessa Angst gehabt, hatte sogar ihre Eltern vermisst, obwohl sie sich nie mehr um sie gekümmert hatten, als es unbedingt nötig gewesen war. In der Gemeinschaft jedoch war sie auf Menschen gestoßen, die wie sie waren. Menschen, die sie verstanden, die ihre Fähigkeiten nicht fürchteten und ihr beibrachten, sie sinnvoll einzusetzen. Die Gemeinschaft war zu ihrer Familie geworden – eine Familie, die ihre Talente nicht fürchtete, sondern sie zu schätzen wusste und förderte.
    Von Anfang an sagten ihr alle eine steile Karriere voraus, manche waren sogar der Ansicht, dass sie es eines Tages bis in den Rat schaffen konnte. Der Rat selbst hielt große Stücke auf sie, weshalb sie auch die Ausbildung junger Seher übernehmen sollte, die neu in die Gemeinschaft kamen. Sie liebte es, zu sehen, wie Kinder, die sich zeit ihres Lebens ausgegrenzt gefühlt hatten, allmählich begriffen, dass auch für sie eine Familie existierte, die ihnen Geborgenheit gab und sich um ihr Wohlergehen sorgte. Dazuzugehören und nicht länger ausgestoßen

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