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Die Daemonenseherin

Die Daemonenseherin

Titel: Die Daemonenseherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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zu sein, war die wichtigste Erfahrung, die diese Kinder machen konnten.
    Alessa war glücklich gewesen, ihr Leben hatte endlich einen Sinn gehabt, bis die Versuche alles zerstört hatten.
    Dabei hatte es so harmlos begonnen. Sie war ihrer Arbeit nachgegangen und von Zeit zu Zeit im Labor erschienen, um sich dem einen oder anderen Test zu unterziehen. Dann hatte der Rat verfügt, dass die Versuchsreihe beendet werden sollte. Alessa hatte mit dem Professor sprechen und ihn nach einem Grund dafür fragen wollen, doch Professor Sparks war nicht auffindbar. Gerüchte machten die Runde, dass er die Gemeinschaft verlassen habe, andere behaupteten, er sei bei einem seiner Versuche selbst ums Leben gekommen.
    Ein paar Wochen nachdem die Versuchsreihe offiziell eingestellt worden war, rief Doktor Burke an, Sparks’ rechte Hand, und bat Alessa zu einem Gespräch in ihr Büro. Wie die meisten anderen Einrichtungen auch befand sich das Büro, das Teil der Krankenstation war, auf dem Anwesen der Gemeinschaft.
    Doktor Burke erklärte ihr, dass die Versuche eingestellt worden waren, da der Rat der Ansicht gewesen sei, sie würden zu keinem Ergebnis führen. Daraufhin sei der Professor so wütend geworden, dass er sein Labor zerstört hatte und untergetaucht war. Doktor Burke wollte die Experimente selbst zwar nicht weiterführen, aber ihre Aufzeichnungen abschließen. Deshalb bat sie Alessa, sich ein paar Tage freizunehmen, damit sie noch einmal in aller Ruhe ihre Fähigkeiten messen und testen konnte – unschätzbares Wissen, von dem die Ärztin sich wichtige Erkenntnisse erhoffte, falls die Forschungen eines Tages fortgesetzt werden sollten.
    Wie leichtgläubig Alessa damals gewesen war! Sie hatte der Ärztin vertraut und wäre nie auf den Gedanken gekommen, die Frau könne etwas tun, das der Gemeinschaft schadet. Zwei Assistenten hatten Alessa abgeholt und in ein Kellerlabor gebracht, von dessen Existenz sie bisher nicht einmal etwas geahnt hatte.
    Die ersten Tests verliefen vollkommen harmlos, lauter Dinge, die sie während der letzten Monate immer wieder gemacht hatten. Sie wohnte in einem kleinen Vierbettzimmer, das sie sich mit drei weiteren Testpersonen teile. Eine davon war Susannah gewesen, mit der sie sich schnell angefreundet hatte. Alles lief normal, wenn man einmal davon absah, dass sie dazu angehalten waren, den Labortrakt nicht zu verlassen. Auf die Frage, warum sie nicht zumindest für ein paar Minuten nach draußen könne, hatte man ihr gesagt, es wäre denkbar, dass sie relativ kurzfristig für weitere Tests gebraucht werde und Doktor Burke nicht erst nach ihr suchen lassen wollte.
    Neben Susannah und Alessa nahmen noch vierzehn andere Männer und Frauen an der Testreihe teil. Sie aßen zusammen und verbrachten ihre Freizeit zwischen den Versuchen in einem Gemeinschaftsraum. Am dritten Abend kam Mikey, einer der Jüngsten, mit einem großen Pflaster auf der Schulter zurück. Als er es anhob, offenbarte sich ein Schatten von der Größe eines Daumennagels unter der Haut. Am nächsten Tag wurde er in ein anderes Zimmer verlegt. Von Zeit zu Zeit sah ihn jemand auf dem Gang, wenn ihn einer der Assistenten in eines der Labore brachte, doch er kam weder zum gemeinsamen Essen noch verbrachte er länger seine Zeit mit den anderen.
    In einer der darauffolgenden Nächte konnte Alessa nicht schlafen. In dieser Nacht starb Mikey. Nicht an einem Virus und auch nicht in seinem Bett – er wurde mitten auf dem Gang, vor Alessas Augen, von innen heraus zerfetzt. Eine Kreatur kroch aus seinem Leib, ein lebendig gewordener Gargoyle, der aussah, als sei er eben erst von einem Kirchturm gestiegen. Einer der Assistenten erschoss das Monster, doch für Mikey kam jede Hilfe zu spät.
    Alessa presste sich in einer Nische an die Wand, zu entsetzt, um einen Ton von sich zu geben. Wie gelähmt beobachtete sie, wie die Männer die Überreste des Dämons entfernten und Mikeys Leichnam fortbrachten.
    Kaum waren die Spuren beseitigt, kam Doktor Burke über den Gang. »Was ist passiert?«, verlangte sie von einem ihrer Assistenten zu wissen. »Ich dachte, wir hätten das Problem im Griff!«
    »Es waren zu viele Tests«, erwiderte der Angesprochene kleinlaut. »Jedes Mal, wenn der Proband auf seine Fähigkeiten zurückgriff, nährte sich die Kreatur daran und wuchs.«
    Alessa wusste nicht, was sie mehr entsetzte: die Worte über diesen Dämon, der sich von den Kräften der Seher nährte, oder die Tatsache, dass der Mann Mikey lediglich einen

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