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Die Daemonenseherin

Die Daemonenseherin

Titel: Die Daemonenseherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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um sie nicht zu erschrecken, hatte er keine Waffen mitgenommen. Verdammt, in Zukunft werde ich nicht mehr darauf verzichten, Schrecken hin oder her. Fünf schnelle Schritte, dann lag der Durchgang hinter ihm und er stand in einem abfallenden Innenhof. Ein Stück weiter vorne führten ein paar ausgetretene Steinstufen steil nach unten, ehe der Weg weiterging. An den Wänden hingen in unregelmäßigem Abstand Straßenlaternen, die ihr trübes Licht in den Close sandten.
    Wieder ein Schrei.
    Er lief weiter. Dann sah er sie. Der Fremde verpasste ihr einen groben Stoß, der sie die steilen Stufen hinuntertaumeln und stürzen ließ. Benommen blieb sie liegen. Der andere war unmittelbar hinter ihr. Das, was Logan zuvor für eine Mütze gehalten hatte, war eine zusammengerollte Sturmhaube, hinter der er nun sein Gesicht verbarg. Mit einem Satz war der Maskierte über ihr und richtete eine Pistole auf sie.
    Logan sprang.
    Er erwischte den Kerl bei der Schulter und riss ihn mit sich. Ein Schuss löste sich aus der Waffe. Der Knall, der wegen des Schalldämpfers eher wie eine Fehlzündung klang, brachte Logans Herz beinahe zum Stillstand. Hatte die Kugel Alessa getroffen? Er versuchte einen Blick auf sie zu erhaschen, da wurde er gepackt und zu Boden gerissen. Logan griff nach dem Kerl, um ihm die Waffe zu entreißen, doch der andere war ein geübter Kämpfer. Er entzog sich Logans Griff mit der Glätte eines Aals und versuchte selbst ihn zu packen. Eine Hand in die Schulter seines Angreifers gekrallt, die andere an der Waffenhand, kämpfte Logan darum, sich zum einen die Pistole vom Leib zu halten und zugleich den Kerl unter Kontrolle zu bekommen. Sie wälzten sich über den Boden, schlagend und tretend. Der Kerl war ein wenig kleiner als Logan, die fehlende Größe jedoch machte er durch seine Wendigkeit wieder wett. Für einen Moment gelang es Logan, ihn unter sich festzunageln, doch sein Triumph währte nicht lange. Der Typ trat nach seinem Bein und zog es ihm unter dem Körper weg. Während Logan darum kämpfte, den Sturz zu verhindern und den Kerl unter Kontrolle zu behalten, rollte sich der andere zur Seite, streifte Logans Hände ab und riss ihn herum. Die behandschuhte Faust des Maskierten traf Logan am Kinn und warf ihn zurück. Sein Hinterkopf schlug auf das Pflaster. Knallbunte Sterne explodierten vor seinen Augen und löschten für einen Moment alles dahinter. Als sich seine Sicht wieder klärte, saß der andere auf ihm, die Waffe auf seinen Kopf gerichtet.
    Die Zeit blieb stehen.
    Endlose Augenblicke zogen sich dahin, während Logans Blick zwischen der starrenden Mündung und den schimmernden Augen des Maskierten hin und her wanderte, darauf gefasst, dass das Mündungsfeuer das letzte Licht sein würde, das er in seinem Leben zu sehen bekam. Dann wirbelte der Kerl die Waffe herum und drosch Logan den Griff gegen die Schläfe. Um Logan herum wurde es schwarz.
    Alessa!
    Ihr Gesicht schob sich in sein verlöschendes Bewusstsein. Wenn er sich jetzt ausknocken ließ, würde sie das mit dem Leben bezahlen – sofern sie nicht längst tot war. Mit aller Willensstärke, die er aufbringen konnte, schob er die drohende Bewusstlosigkeit von sich, schüttelte sie ab wie ein lästiges Insekt und öffnete die Augen.
    Dunkelheit. Nein, ein Schatten, der sich über ihn beugte. Alessa. Ihre Hand tastete nach seiner Schläfe, untersuchte vorsichtig die Stelle, an der ihn die Waffe getroffen hatte. Flüchtig streifte die Frage seinen Geist, warum der Kerl ihn nicht erschossen hatte. Du hast mehr Glück als Verstand, Drake. Noch einmal würde er nicht ohne seine Waffe aus dem Haus gehen.
    Er setzte sich auf und sah sich blinzelnd um. Der Wind trieb einen Fetzen Alufolie an ihm vorbei, tiefer in die Gasse hinein. Der Anblick brachte ihn auf einen merkwürdigen Gedanken.
    »Bleiben Sie liegen, Sie bluten. Ich rufe einen Krankenwagen.«
    Er hatte Kopfschmerzen, aber das war ganz sicher nichts, das er nicht mit ein paar Aspirin in den Griff bekommen würde. Einen Krankenwagen konnte sie rufen, wenn er im Sterben lag, aber nicht nach ein paar Schlägen. Er griff nach ihrer Hand, mit der sie immer noch seine Stirn untersuchte, und hielt sie am Handgelenk fest, sanft und ohne Druck.
    »Bist du verletzt?« Er sah die Überraschung, die seine Frage in ihren Augen hervorrief. Es erstaunte ihn selbst, dass er sie plötzlich so vertraulich duzte, aber es war ihm einfach passend erschienen. »Hat er dich getroffen?«
    Sie schüttelte den Kopf.

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