Die Daemonenseherin
Augen des Kühlschranks. »Geh aus dem Weg«, verlangte sie und legte einen Teil ihrer Kraft in ihre Worte, ließ sie in seinen Verstand dringen, wo sie dafür sorgen sollten, dass es ihm wie sein eigener Wunsch erscheinen würde, ihr Platz zu machen.
Er wirkte verwirrt, als sei er hin- und hergerissen, was er nun tun sollte.
»Geh!« Alessa ließ die Schutzschilde ein Stück weitersinken und verstärkte die Intensität ihrer Worte. Der Dämon rumorte, doch sie hielt ihn hinter der Mauer, was sich anfühlte, als versuche sie mit einer Hand eine Tür zuzuhalten, während sie mit der anderen darum kämpfte, eine weitere zu öffnen – die Tür zum Verstand des Sehers.
Sie fürchtete schon, sie müsse ihre Anstrengungen noch weiter erhöhen, als er plötzlich zur Seite trat. Ohne ihn aus ihrem Blick zu entlassen, ging sie an ihm vorbei.
»Verdammt, Kent«, rief da der andere hinter ihr. »Die spielt mit ihren Superkräften! Lass dich davon nicht einwickeln!«
Die Erinnerung daran, dass der Kühlschrank nicht allein war, ließ den Strom ihrer Kraft für einen Moment flackern. Wie sollte sie den Zweiten in den Griff bekommen, ohne den Dämon aus ihrer Kontrolle zu entlassen? Gar nicht. Sobald sie an dem Kerl vorbei war, würde sie ihre Schutzschilde wieder aufrichten und rennen, was das Zeug hielt. Sie musste dann niemanden beeinflussen, sondern nur noch schnell sein.
Trotz der Ablenkung des anderen verlor sie nicht die Herrschaft über ihr Ziel. Sie spürte, wie der Dämon an seinen Mauern kratzte, und stellte erleichtert fest, dass er nichts ausrichten konnte.
Noch nicht.
Der Typ hinter ihr rief seinem Kumpel etwas zu. Alessa verstand die Worte nicht. Ihre Konzentration war darauf gerichtet, die Fäden, die sie um den Geist des anderen gelegt hatte, mit möglichst wenig Kraftaufwand zu halten und ihn nicht aus dem Netz ihres Einflusses zu entlassen. Ohne den Blick von seinen Augen zu nehmen, tastete sie nach der Türklinke. Selbst durch die Handschuhe hindurch glaubte sie das kühle Metall zu spüren, als ihre Finger die Klinke fanden und sich darumschlossen.
Ein Griff an ihrem Arm ließ sie herumfahren.
Der Kumpel des Kühlschranks hatte sie gepackt und zog an ihr. Alessa klammerte sich an die Türklinke, doch sie war nicht stark genug, um sich loszureißen. Während sie noch versuchte sich zu befreien, griff der Kühlschrank nach ihrem anderen Arm.
Sie hatte die Kontrolle über ihn verloren.
Sie würden sie ins Labor zurückbringen!
Eine eisige Welle des Entsetzens strömte durch ihr Innerstes. Mit einem wäre sie womöglich noch fertig geworden – aber niemals mit allen beiden. Nicht, solange sie zusätzlich den Dämon in Schach halten musste. Trotzdem versuchte sie den Riesen wieder unter Kontrolle zu bekommen, doch es wollte ihr kaum gelingen, sich auf ihn zu fokussieren. Dazu war die Präsenz des anderen zu deutlich zu spüren.
Panik brandete in einer eisigen Welle über sie hinweg und riss jede Vernunft mit sich. Alles, woran sie noch denken konnte, war, dass sie hier wegmusste.
Von rasender Angst getrieben brachen sich ihre Kräfte Bahn. Mit einem einzigen Blick schleuderte sie den Kühlschrank von sich. Gegenstände flogen umher, wirbelten durch den Flur, manche trafen sie selbst, doch sie spürte keinen Schmerz. Die Angst hatte sie immun gemacht.
Bücher, Blätter, Schirme, Kleidungsstücke, Küchengeschirr – all das wirbelte in einem gewaltigen Strudel durch den Flur. Der Sturm, den ihre Telepathie entfesselte, zerrte an ihrem Haar und ihren Gewändern und ließ sie wanken. Doch Alessa rührte sich nicht vom Fleck. Sie konnte sich nicht länger bewegen, war nicht mehr Herr über ihre Kräfte. Der Dämon rüttelte an seinem Gefängnis, und sein Brüllen ließ ihr Innerstes erbeben. Ich muss die Mauer halten! Das war der einzig vernünftige Gedanke, zu dem sie noch fähig war und den sie wieder und wieder herunterbetete, während um sie herum das Chaos tobte.
Die Mauer halten!
Die beiden Männer hielten die Arme über den Kopf, um sich vor den umherfliegenden Trümmern zu schützen. Sie brüllten gegen den Sturm an, den sie entfesselt hatte, doch ihre Worte drangen nicht zu Alessa durch. Niemals zuvor hatte sie etwas Ähnliches getan, hatte nicht einmal geahnt, dass sie dazu überhaupt in der Lage sein könnte. Ein Teil von ihr jubilierte angesichts der Gewalten, die sie losgelassen hatte, während der Rest zu Eis erstarrt war. Noch nie hatte sie versucht, jemanden mit ihren Kräften zu
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