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Die Daemonenseherin

Die Daemonenseherin

Titel: Die Daemonenseherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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Schrank mit der Lamellentür. Wenn er zum Schrank ging, würde er sie so deutlich sehen, wie sie den Maskierten gesehen hatte. Mit angehaltenem Atem zog sich Alessa weiter zurück. Im ersten Moment dachte sie daran, sich in die Küche zu flüchten und zu warten, bis er fertig war. Aber was, wenn er sich die Küche bisher noch nicht angesehen hatte? Was, wenn er das nachholen und sie dort finden würde? Dieser Mann mochte seine seherischen Fähigkeiten im Dienste der Polizei einsetzen, doch er war noch immer ein Mitglied der Gemeinschaft. Wenn er Wind davon bekam, wer sie war, sähe sie sich mit einem ernsthaften Problem konfrontiert. Und selbst wenn es ihr gelingen sollte, ihr Geheimnis zu wahren, würde die Polizei wenig begeistert auf ihre Anwesenheit reagieren.
    Sie musste hier raus!
    Schon wieder.
    Obwohl er sie über seine Musik hinweg vermutlich ohnehin nicht hören konnte, ging sie sehr vorsichtig rückwärts. Erst als sie ihn nicht mehr sehen konnte, machte sie kehrt. Und prallte gegen einen breit gebauten Kerl, der vor ihr aufragte wie ein schwarzhaariger Racheengel – einer mit der Statur eines Kühlschranks.
    Einen erschrockenen Schrei auf den Lippen stolperte Alessa rückwärts, ehe sie sich bremste, einen Haken schlug und an ihm vorbei zur Wohnungstür wollte. Mit einem Schritt, der so schnell war, wie sie es einem Mann seiner Größe nicht zugetraut hätte, vertrat er ihr den Weg.
    Verflucht! Sie hätte wissen müssen, dass kein Seher ohne einen Polizisten an den Tatort kommen würde. Da sah sie die Handschuhe. Das war kein Polizist.
    »Heilige Scheiße«, entfuhr es ihr.
    In seinen grauen Augen zeigte sich ein amüsiertes Glitzern. »Nicht ganz die Begrüßung, die ich gewohnt bin, aber ich bin nicht sonderlich wählerisch.«
    Alessa schielte an ihm vorbei. Irgendwie musste sie ihn überrumpeln, um zur Tür zu gelangen. Sie dachte daran, ihn einfach aus dem Weg zu stoßen, doch wenn sie sich den Kerl ansah, bezweifelte sie, dass sie ihn auch nur zum Wanken bringen würde – nicht einmal, wenn sie sich mit Anlauf gegen ihn warf.
    Ablenken. In Sicherheit wiegen. Erste Gelegenheit nutzen.
    Dem Kühlschrank war ihr Blick nicht entgangen. »Keine Angst, ich tue dir nichts.«
    »Sicher«, erwiderte sie trocken. Wenn nicht du, dann dein Kumpel. Unwillkürlich senkte sie ihre Schutzschilde ein Stück und tastete nach ihrer Kraft. In ihrem Innersten erwachte der Dämon zum Leben. Trotzdem war es die einzige Möglichkeit, den Kerl dazu zu bringen, den Weg freizugeben.
    Er warf einen Blick auf ihre Handschuhe, dann nickte er, als habe er etwas begriffen. »Wir gehören nicht zu denen «, sagte er ruhig. »Ich erkläre dir alles – aber nicht hier.«
    Du hältst dich wohl für ganz clever, was? Doch seine Versuche, sie unauffällig und ohne Gewalt von hier fort, zurück zum Anwesen der Gemeinschaft zu bringen, konnte er sich in die Haare schmieren. Darauf würde sie nicht hereinfallen.
    »Parker«, rief er an ihr vorbei ins Wohnzimmer, und als keine Antwort kam, brüllte er: »Mach die Scheißmusik aus und schwing deinen Arsch hierher!«
    Das Wummern erstarb.
    Die darauf folgende Stille war so ohrenbetäubend, dass Alessa sich die Bässe zurückwünschte. Jetzt jedoch gehörte ihr die ungeteilte Aufmerksamkeit beider Männer. Sie musste sich nicht umsehen, um zu spüren, wie der andere hinter ihr in den Flur trat.
    »Seit wann haben wir Besuch?«, hörte sie ihn fragen.
    »Vermutlich seit mindestens zwei deiner Songs«, brummte der Kühlschrank. »Und wenn du mal für fünf Minuten diese dämlichen Stöpsel aus deinen Ohren nehmen würdest, hättest du bemerkt, dass sie dir quasi beim Suchen geholfen hat.«
    »Fängst du jetzt schon wieder an?«, gab der andere zurück. »Ich hab dir doch mindestens hundertmal erklärt, dass ich mich mit Musik einfach besser konzentrieren kann.«
    »Und ich habe dir …« Der Riese seufzte und schwieg.
    Alessa konnte es nicht fassen. Sie war diesen Typen in die Arme gelaufen, die für sie eine größere Gefahr darstellten als alles andere auf der Welt – von dem Dämon einmal abgesehen – und die Kerle hatten nichts Besseres zu tun, als sich zu streiten? Ein solches Verhalten war vollkommen unüblich für die sonst so überlegten und kühl agierenden Mitglieder der Gemeinschaft. Womöglich waren die beiden erst seit Kurzem dabei und hatten die gängigen Verhaltensweisen noch nicht übernommen. Das bedeutete, dass sie sie vielleicht übertölpeln konnte.
    Alessa fixierte die

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