Die Daemonenseherin
ihr helfen den Dämon loszuwerden. Als sie davon sprach, wie der Maskierte den Professor erschossen und sie sich im Schrank versteckt hatte, zitterte ihre Stimme.
»Einmal wollte ich noch dorthin zurück. Ich dachte, dass es vielleicht irgendwelche Aufzeichnungen geben könnte, die mir weiterhelfen würden«, beendete sie schließlich ihren Bericht.
Eine Weile sagte keiner der Männer ein Wort. Sie saßen nur da und sahen sie an, doch ihre Gedanken schienen so weit entfernt, dass sie Alessa gar nicht wirklich wahrzunehmen schienen.
»Wow«, sagte Kent schließlich.
Dann schwiegen sie wieder.
»Ja, wow«, meinte nun auch Parker. »Ein wachsender Dämon im eigenen Körper, ein Mord direkt vor deinen Augen, diese Einsamkeit … Scheiße, Mädel, wie hältst du das aus?«
Bisher hatte sie es stets vermieden, sich diese Frage zu stellen. Sie hatte einfach immer weitergemacht, einen Tag nach dem anderen, ohne zu viel über ihre Situation oder ihre Zukunft nachzudenken. Parkers offen ausgesprochenes Mitleid, ebenso wie das stumme Bedauern, das sie in Kents Augen fand, waren beinahe mehr, als sie ertragen konnte. Es ließ all die unterdrückten Gefühle aufsteigen, die ihr jetzt die Luft zum Atmen nahmen und ihr eine Antwort beinahe unmöglich machten. Trotzdem zuckte sie die Schultern. »Was habe ich schon für eine Wahl?«
Kent machte Anstalten, erneut nach ihrer Hand zu greifen, überlegte es sich jedoch anders. Alessa hätte die Berührung ohnehin nicht ertragen aus Furcht, sein Mitgefühl könne ihre Selbstbeherrschung endgültig zum Einsturz bringen.
»Ich fürchte, in der Wohnung des Professors wirst du nichts finden«, sagte er. »Er hat uns nicht verraten, um welche Art von Versuchen es sich handelte, allerdings hat er erzählt, dass er all seine Aufzeichnungen dazu vernichtet hat.«
Alessa ließ den Kopf sinken. Es war genau das, was sie die ganze Zeit über befürchtet hatte, trotzdem hatte sie nicht aufgeben wollen. Jetzt, da Kent die bittere Wahrheit aussprach, wollte es ihr kaum noch gelingen, sich länger an die Hoffnung zu klammern.
»Wir haben übrigens auch nichts gefunden, was auf den Mörder hindeutet«, ergänzte Parker. »Es sieht beinahe so aus, als hätte er nichts angefasst.«
Soweit sie sich erinnern konnte, hatte der Maskierte tatsächlich nichts berührt – bis auf das Fenster, durch das er geflohen war. Doch auch dort würden sie nichts spüren, denn er hatte Handschuhe getragen. Auf diese Weise hatte er nicht nur keine Fingerabdrücke für die Spurensicherung hinterlassen, sondern auch verhindert, dass ein Seher etwas über ihn in Erfahrung bringen konnte. Dafür hätte es eines Hautkontakts mit einem Gegenstand bedurft.
»Wenn du willst, entfernen wir deinen Chip«, schlug Parker vor. »Dann kannst du zumindest von hier abhauen.«
»Und dir irgendwo ein neues Leben aufbauen, ohne ständig fürchten zu müssen, dass dich jemand aufspürt.«
Das war wohl der einzige Weg: die Stadt verlassen, an einem anderen Ort neu anfangen und niemals wieder auf ihre Fähigkeiten zurückgreifen, um dem Dämon keine Nahrung zu bieten. Sie würde den Rest ihrer Tage mit dieser Kreatur in ihrem Leib leben müssen.
Es war niederschmetternd.
Das ist besser, als weiterhin unter den Augen der Gemeinschaft zu sitzen.
Alessa nickte. »Ja, ich möchte den Chip loswerden.«
»Na, dann weg mit dem Ding.« Parker klopfte voller Tatendrang auf die Armlehnen seines Sessels und sprang auf. »Wir haben alles Nötige im Bad. Komm mit.«
Alessa ging hinter ihm aus dem Wohnzimmer, an der Küche vorbei, weiter zu einer schmalen Treppe. Gefolgt von Kent stieg sie die Stufen nach oben, immer Parker folgend. Ein kurzer Gang führte zu einer Tür, hinter der sich ein weiteres Badezimmer fand, etwas größer als das untere.
Parker deutete auf den Wannenrand. »Setz dich da auf die Kante und dreh dich so, dass ich an deinen Nacken herankomme.«
Alessa folgte seiner Anweisung. In ihrem Rücken hörte sie ihn in einem Schrank kramen. Metall und Plastik klapperte, Glas klirrte.
»Machst du mal eine Bandage fertig«, forderte er Kent auf, als er ein Skalpell, Wattepads und zwei kleine Fläschchen auf einem Mauervorsprung neben Alessa ablegte. Dann reichte er ihr einen Gummi. »Bind dir die Haare zusammen, damit sie nicht im Weg sind.«
Der Gummi ziepte, trotzdem beschwerte sie sich nicht. Sie schlang die Haare zu einem lockeren Knoten und befestigte sie. Als Parker ihren Kragen berührte, zuckte sie erschrocken
Weitere Kostenlose Bücher