Die Daemonenseherin
ein paar deiner Fragen beantworten?«
»Und danach werdet ihr mich löchern.«
»Möglich«, gab Kent zurück und schüttelte den Kopf. »Nein, ziemlich wahrscheinlich. Aber du musst keine Fragen beantworten, die du nicht beantworten möchtest – schon gar nicht die, bei denen du uns ohnehin nur belügen würdest. Einverstanden?«
»Einverstanden.«
Er nahm ihr die Jacke ab, warf sie über die Couchlehne und kehrte zu seinem Sessel zurück.
»Also gut«, sagte Alessa, als sie sich wieder setzte. »Dann würde ich jetzt gerne wissen, was passiert ist, nachdem …« Sie wusste nicht recht, wie sie es nennen sollte.
»Nachdem dich dein kleines Inferno aus den Schuhen gehauen hat?«, half Parker bereitwillig aus. Er wischte sich die Finger an einer Serviette ab und trank einen Schluck von seinem Bier, ehe er sie erneut ansah. »In dem Moment, in dem du umgekippt bist, war es vorbei. Der ganze Plunder ist auf den Boden gekracht. Falls die Bullen noch mal vorbeischauen, wird die Spurensicherung da ein hübsch knackiges Rätsel zu lösen haben.«
»Habt ihr etwas gesehen?«
»Was Bestimmtes?«
»Irgendwas.« Einen Dämon zum Beispiel.
Kent schüttelte den Kopf. »Wir dachten uns, es wäre ein kluger Schachzug, die Kurve zu kratzen. Da wir nicht wussten, ob du nicht am Ende aufwachen und die ganze Wohnung in Schutt und Asche legen würdest, haben wir uns entschlossen, dich vorsichtshalber mitzunehmen.«
»Und wegen der Bullen«, ergänzte Parker.
»Ja, auch wegen den Bullen«, stimmte Kent zu. »Es wäre vermutlich ein wenig schwierig geworden, ihnen zu erklären, was passiert ist – einmal davon abgesehen, dass keiner von uns etwas in der Wohnung zu suchen hatte.«
Was Alessa auf die nächste Frage brachte: »Was wolltet ihr dann dort, wenn ihr nicht für die Polizei arbeitet?«
»Der Professor war unser Freund.« Zum ersten Mal erkannte Alessa die Trauer hinter Kents fröhlicher Fassade und seine Betroffenheit wirkte alles andere als gespielt. »Er hatte sich schon ein paar Tage nicht mehr bei uns gemeldet – nicht dass er das sonderlich regelmäßig getan hätte, aber wir hatten ein seltsames Gefühl dabei. Und dann hörten wir in den Nachrichten von dem Mord. Es wurde kein Name genannt, aber uns war sofort klar, dass es nur der Professor sein konnte. Ich meine, wen willst du sonst in einer Gegend umlegen, in der nur Hausfrauen und Friedhofsdeserteure wohnen.«
»Er meint alte Leute«, erklärte Parker und verstummte, als Kent ihm einen finsteren Blick zuwarf.
»Der Professor ging nicht ans Telefon, und als wir zur Wohnung fuhren, war die mit Absperrband und einem Siegel über dem Türschloss versehen.«
Was euch nicht davon abgehalten hat, hineinzugehen.
»Da wir in den Nachrichten nichts über einen Täter gehört hatten, gingen wir davon aus, dass man ihn noch nicht gefasst hat«, fuhr Kent fort. »Also dachten wir uns, wir könnten uns mal umsehen, ob wir etwas finden, das dabei helfen kann, den Täter zu schnappen.«
»Was – im Nachhinein betrachtet – nicht unbedingt die brillanteste unserer Ideen war.«
Alessa runzelte die Stirn. Es war üblich, dass Seher der Polizei auf genau diese Weise halfen. Warum also nicht auch die beiden? »Wo ist das Problem?«
Parker schnitt eine Grimasse. »Wir ziehen es vor, unerkannt zu bleiben.«
»Ihr seid Wilde.«
»Nein.«
»Dann gibt es doch keinen Grund, warum ihr nicht dort sein solltet – nun ja, das vielleicht schon.« Immerhin war es ein abgesperrter Tatort, in den sie eingedrungen waren. »Aber wenn ihr etwas Wichtiges findet, wird euch sicher niemand einen Strick daraus drehen, wenn sie dank eurer Hilfe den Mörder fassen.«
»Die Polizei wäre sicher unser geringstes Problem«, stimmte Parker zu. »Wir machen uns mehr Sorgen wegen der Gemeinschaft.«
»Was stimmt mit euch Kerlen nicht?«
»Wir haben unsere Mitgliedschaft sozusagen gekündigt.«
Alessa riss die Augen auf. Das ließ der Rat nicht zu. Abgesehen davon kannte sie niemanden, der freiwillig gegangen wäre. Für sie war die Gemeinschaft ihr sicherer Hafen, ihre Familie und der Ort, an dem sie sich geborgen fühlte. Alessa hätte sie niemals verlassen, wenn sie nicht dazu gezwungen gewesen wäre. Sie vermisste ihre Freunde und das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun. Zugleich machte ihr die Frage Angst, wie viel die übrige Gemeinschaft – und vor allem der Rat – über Doktor Burkes Versuche wusste. Der Gedanke, dass die Menschen, denen sie vertraut hatte, eingeweiht sein
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