Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Daemonenseherin

Die Daemonenseherin

Titel: Die Daemonenseherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
Vom Netzwerk:
unterdrückt in der Hoffnung, die Abscheu aus ihren Augen schwinden zu sehen, doch sie konnten es nicht vergessen. Für sie war ich ein Monster und würde es immer bleiben.«
    »Wie können Eltern so grausam sein?«
    Seine Frage erstaunte sie, hegte er doch ähnliche Gefühle gegenüber der Gemeinschaft, wie Alessas Eltern sie gegenüber ihrer eigenen Tochter empfunden hatten. Aber darin lag auch der Unterschied, das wurde ihr nun klar. Während die Abscheu ihrer Eltern sich auf sie als Person fokussiert hatte, galten Logans Gefühle der Gemeinschaft – einer Organisation, nicht einzelnen Menschen dahinter. Er verurteilte nicht die Seher für ihre Gabe, sondern die Gemeinschaft für das, was sie – in seinen Augen – daraus machte.
    Beinahe hätte sie erleichtert aufgeseufzt. Um das Lächeln zu verbergen, das plötzlich auf ihre Lippen fand, hob sie die Tasse und trank. Als sie sie schließlich abstellte, hatte sie sich wieder unter Kontrolle. Es war ohnehin albern, sich so sehr darüber zu freuen, dass er keine einzelnen Personen – und damit nicht sie selbst – verabscheute, denn es änderte rein gar nichts an ihrer Situation, dafür hatte Doktor Burke mit ihren Experimenten gesorgt.
    »Vielleicht verstehst du jetzt, warum ich die Gemeinschaft nicht verdammen kann. Sie haben mich aus einer Familie geholt, die mich nicht haben wollte, und gaben mir ein Zuhause und Sicherheit.«
    »Warum bist du dann abgehauen?«
    Es war die Frage, vor der sie sich am meisten gefürchtet hatte – die, auf die sie keine Antwort geben konnte.
    »Logan, soll das ein Verhör werden?«, versuchte sie sich aus der Affäre zu ziehen.
    »Nein, natürlich nicht.« Er schüttelte den Kopf. »Ich versuche nur mehr über dich zu erfahren.«
    »Für deine Akten?«
    »Nein. Nur für mich. Ich möchte einfach mehr über dich wissen, allerdings bin ich wohl etwas eingerostet.«
    Sie blinzelte. »Eingerostet?«
    »Diese ganze Kommunikationssache.« Er verzog die Lippen zu einem Grinsen, das so jungenhaft und charmant wirkte, dass sie Mühe hatte, ein Lächeln zu unterdrücken. »Ich hätte dich wohl warnen sollen, dass ich das nicht allzu oft mache.«
    Keine Unterhaltungen? Die Frage lag ihr auf der Zunge, doch die Antwort war offensichtlich. Logan war niemand, der die Gesellschaft anderer suchte.
    Aber warum wollte er ausgerechnet über sie so viel wissen?
    Die bloße Vorstellung, er könne sich tatsächlich für sie als Mensch interessieren, ließ ihr Herz einen aufgeregten Satz machen. Ihre Handflächen begannen zu prickeln und in ihrem Bauch flackerte eine überwältigende Wärme auf, wie sie sie noch nie gespürt hatte.
    Es war zum Aus-der-Haut-Fahren. Sie war gerne mit ihm zusammen und fühlte sich mehr zu ihm hingezogen als zu jedem anderen Mann, dem sie je begegnet war, aber sie wusste, dass sie diese Gefühle besser nicht zulassen sollte.
    Als sie aufsah, bemerkte sie, dass Logan sie mit gerunzelter Stirn betrachtete. »Stimmt etwas nicht?«, fragte Alessa.
    »Sag du es mir.«
    »Was?«
    »Zum Beispiel, warum du plötzlich so ernst, fast schon traurig aussiehst.«
    Erschrocken darüber, dass ihr ihre Gefühle so deutlich anzumerken waren, zwang sie sich zu einem Lächeln. »Nein, es ist alles in Ordnung. Ich musste nur gerade an etwas denken.«
    »Willst du deine Gedanken mit mir teilen?«
    »Lieber nicht.«
    Zum Glück kam in diesem Augenblick ihr Essen, und das Erscheinen der Bedienung verhinderte, dass er weitere Fragen stellen konnte. Logan hatte für sich ebenfalls Shepherd’s Pie bestellt und stach nun mit der Gabel in die Oberfläche, bis heißer Dampf aus den Löchern stieg. Alessa tat es ihm nach. Der Geruch von Hackfleisch und Kartoffeln stieg ihr in die Nase und erinnerte sie daran, dass sie tatsächlich hungrig war. Sie spießte einen Bissen auf die Gabel und blies darauf, bis er weit genug abgekühlt war, dass sie ihn sich in den Mund schieben konnte. Es schmeckte hervorragend.
    Eine Weile aßen sie schweigend, und während Alessa versuchte alle Gedanken von sich zu schieben, die mit Logan und seiner Nähe zu tun hatten, bemerkte sie, wie er sie verstohlen beobachtete.
    »Was ist?«, durchbrach sie das Schweigen, als sie seine Blicke nicht länger ertrug.
    Logan setzte zu einer Antwort an, da klingelte sein Handy. »Entschuldige.« Er legte die Gabel zur Seite, zog das Telefon aus seiner Lederjacke und meldete sich mit einem knappen »Drake.«
    Einen Moment lauschte er der Stimme, die von der anderen Seite undeutlich bis

Weitere Kostenlose Bücher