Die Daemonenseherin
dafür.«
»Aber?«
»Ihr Handy und ihre Geldbörse lagen ebenfalls auf dem Tisch, zumindest die beiden Sachen hätte sie wohl mitgenommen.«
Der Anblick des Maskierten drängte sich in ihrer Erinnerung nach vorne, groß, dunkel und bedrohlich. Sie sah ihn, wie er vor Susannah stand, die Pistole auf sie gerichtet, sah den Schrecken in Susannahs Zügen, kurz bevor er abdrückte.
Nein!
Dann hätten sie ihre Leiche gefunden oder zumindest einen von der Polizei abgesperrten Tatort. Doch dort war nichts weiter als eine zurückgelassene Mahlzeit und das Handy.
»Es tut mir leid, dass ich dir nichts anderes sagen kann.« Logan legte seine Hand auf ihren Arm. »Ich weiß nicht, was passiert ist, aber wir werden weiter nach ihr suchen.«
Für einen Moment spürte sie Misstrauen in sich aufsteigen. Warum sollte er nach einer völlig Fremden suchen, statt seiner Arbeit nachzugehen, wenn nicht aus dem Grund, dass er wusste, wer Susannah war? Hatte er ihren Namen womöglich bereits in seinem PC oder auf einer Liste, auf der all die Dämonenseher standen, die er einfangen sollte? Als sie jedoch in seine Augen sah, fand sie darin den wahren Grund. Er tat es für sie, Alessa.
»Danke.«
Eine Weile blickten sie einander schweigend an. Logan hob die Hand und strich ihr eine Locke aus der Stirn.
»Hast du Hunger?«, fragte er plötzlich.
Da sie sich noch nicht verabschieden wollte, nickte sie.
»In Ordnung.« Er griff nach ihrer Hand und führte Alessa die Straße entlang. Die Wärme seiner Finger drang durch ihre Haut und betäubte die Kälte und die beißende Angst, die sich in ihrem Herzen eingenistet hatte.
Sie gingen von der Royal Mile weg, tiefer in die Old Town hinein, bis er vor einem Pub stehen blieb. Hawkins Tavern verkündete das Schild über dem Eingang. Im Inneren erwartete sie ein behaglicher Gastraum mit dunklen Bodendielen und Bänken, deren Sitz- und Rückenflächen mit grünem Stoff bezogen waren. Im Regal hinter der Bar stand eine riesige Auswahl an Whiskys und anderen Spirituosen, eine ganze Batterie an Zapfhähnen kündete von einer ebenso reichlichen Auswahl an Bier, was in Anbetracht der Menschentraube, die sich um die Bar herum sammelte, sichtlich Anklang fand.
Die Wände waren gespickt von ausgestopften Fischen, Schiffssteuerrädern, Angeln und unzähligen Bildern von alten Schiffen und Schifffahrtsrouten. Fischernetze hingen von der Decke in den Raum, geschmückt mit Seesternen, Muscheln und knallroten Plastikhummern.
Logan führte sie zu einem Tisch in einer Ecke. Während Alessa ihren Parka an die Garderobe beim Eingang hängte, warf er seine Lederjacke zwischen sie auf die Eckbank. Alessa war froh um die kleine Barriere, sie war ihm ohnehin schon näher gekommen, als ihr guttat.
Er schob ihr die Speisekarte hin. »Such dir etwas aus.«
Alessa warf einen Blick auf die Karte und entschied sich dann für eine Shepherd’s Pie und eine Kanne Tee. Kaum hatte sie Logan das gesagt, ging er zum Tresen, um seine Order abzugeben.
Alessa lehnte sich zurück und beobachtete ihn. Die Selbstsicherheit, die er jetzt wieder ausstrahlte, war ebenso anziehend wie das Lachen, das sie vorhin zu hören bekommen hatte. Er lachte nicht oft, umso besser gefiel es ihr, wenn er es doch tat. Zu gerne hätte sie gewusst, warum er die meiste Zeit über so ernst und verschlossen wirkte. Von seinem Beruf und seiner Abneigung gegen die Gemeinschaft einmal abgesehen wusste sie so gut wie nichts über diesen Mann. Wie konnte sie jemanden mögen, der ein vollkommen Fremder für sie war, jemanden mit einem Auftrag, wie er ihn hatte?
Tatsache war, dass sie ihn mochte. Das wurde ihr einmal mehr klar, als er an den Tisch zurückkam, ein Pint Bier in der Hand. »Deinen Tee bringen sie an den Tisch, sobald das Wasser kocht.« Er stellte sein Glas ab und rutschte zu ihr auf die Bank, auf die Seite, wo seine Jacke nicht zwischen ihnen lag.
Er hatte sich kaum gesetzt, da brachte ein junger Kerl, vermutlich ein Student, der hier jobbte, die Kanne mit dem Tee. Als Alessa sich eine Tasse einschenkte, spürte sie, dass Logan sie beobachtete. Sie stellte die Kanne zur Seite und sah ihn an.
»Was ist?«
Sein Blick ruhte auf ihren Händen. »Wie kommt es, dass du deine Handschuhe nicht ständig trägst?«
»Meine Fähigkeiten sind nicht sonderlich ausgeprägt.« Sie war drauf und dran, mehr zu sagen aus dem Wunsch heraus, sich mit ihm zu unterhalten und auf diese Weise auch mehr über ihn zu erfahren, aber ganz gleich was sie ihm
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