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Die Daemonenseherin

Die Daemonenseherin

Titel: Die Daemonenseherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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und sah sie von der Seite an. »Ich bin kein Freund der Gemeinschaft, das will ich gar nicht leugnen, aber ich möchte, dass du weißt, dass das nicht für dich gilt.«
    Da begriff sie, dass dies für ihn kein geschäftlicher Termin war. Er hatte nicht Alessa, die Seherin und Zeugin treffen wollen, sondern Alessa, den Menschen.
    So seltsam es auch sein mochte, dass ausgerechnet er, der die Gemeinschaft so sehr zu verabscheuen schien, sich nur deshalb mit ihr treffen wollte, um ihr das zu sagen, so sehr berührte es sie auch.
    »Ich wollte dir das schon vorgestern sagen, nachdem ich dich abgesetzt hatte und du ins Haus gegangen warst«, fuhr er fort. »Ich war tatsächlich kurz davor, noch einmal bei dir zu klingeln, allerdings war ich mir nicht sicher, ob du mich sehen willst.«
    »Ich bin dir nicht böse.« Sag noch etwas! Aber sie wusste nicht recht, was sie sonst darauf erwidern sollte. Sag ihm, dass du dich freust, ihn zu sehen! Doch die Worte wollten nicht über ihre Lippen finden. Während der Jahre in der Gemeinschaft war sie nur selten mit Männern ausgegangen, damals hatte sie keine Zeit dafür gehabt. Jetzt fehlten ihr die Erfahrung und die Wortgewandtheit, die ihr vielleicht ein paar Dates mehr eingebracht hätten.
    Schnell rief sie sich ins Gedächtnis, dass dies hier kein Date war, sondern lediglich ein Treffen, um etwas zu klären. Sie hätte ihn fragen können, warum es ihm so wichtig war, ihr das zu sagen, aber eine falsche Antwort hätte die Schmetterlinge, die plötzlich in ihrem Bauch flatterten, womöglich zur Landung gezwungen.
    Zum ersten Mal, seit ihre Wege sich gekreuzt hatten, wirkte nichts an ihm hart und kalt. Schon bei ihrer letzten Begegnung, kurz nachdem er sie vor dem Maskierten gerettet hatte, war ihr das aufgefallen, doch jetzt war da etwas in seinen Augen, das ihr das Gefühl gab, in Sicherheit zu sein.
    Sie wusste, dass sie das keineswegs war, doch sie wollte sich zumindest für eine Weile der Illusion hingeben und nichts weiter tun, als die Nähe eines Mannes zu genießen, den sie immer mehr zu mögen begann.
    Schweigend gingen sie weiter. Alessa tat, als sähe sie in die Schaufenster der kleinen Läden, Pubs und Teestuben, in Wahrheit jedoch betrachtete sie Logans Spiegelbild darin – und wurde das Gefühl nicht los, dass er dasselbe bei ihr tat.
    Der Sonnenuntergang färbte den Himmel orange und hüllte die Wolken in geisterhaftes Glühen. Zusammen mit der Sonne sanken auch die Temperaturen. Alessa vergrub die Hände wieder in den Taschen.
    »Du frierst viel, oder?«
    »Eigentlich ständig.«
    »Wie überlebst du das im Winter, wenn es im Frühling schon so schlimm ist?«
    »Ich kette mich an eine Heizung und rühre mich bis zum Frühlingsanfang nicht vom Fleck.«
    Logans Lachen war wie eine warme Hand, die geradewegs nach ihrem Herzen griff. »Du bist wirklich außergewöhnlich.«
    Du hast ja keine Ahnung.
    »Logan, gibt es wirklich keine Neuigkeiten von Susannah? Konntet ihr denn noch gar nichts in Erfahrung bringen?«
    Die Fröhlichkeit wich schlagartig aus seinen Zügen. »Ich wollte dir nichts sagen, solange wir nichts Genaueres wissen, aber –«
    Seine Worte ließen schlagartig alle warmen und angenehmen Gefühle in ihr erlöschen. Ruckartig blieb sie stehen.
    »Sie ist tot«, flüsterte sie.
    Logan war ebenfalls stehen geblieben uns sah sie an. »Nein, das ist sie nicht.« In seinen Augen konnte sie sehen, dass er sich dessen keineswegs sicher war. »Wir haben sie tatsächlich noch nicht gefunden. Allerdings waren wir in ihrer Wohnung.«
    Es fiel Alessa schwer, ihn sprechen zu lassen, statt ihn mit Fragen zu überschütten. Ihre Hände in den Jackentaschen begannen zu zittern. Um sie ruhigzuhalten, ballte Alessa sie zu Fäusten. Bitte , flehte sie stumm. Keine schlechten Nachrichten.
    »Sie war nicht dort«, fuhr er fort, ohne seinen Blick von ihren Augen zu nehmen. »Meine Jungs lösen sich ab, sodass immer einer von ihnen in der Wohnung ist für den Fall, dass sie zurückkommt.«
    »Für den Fall? Den unwahrscheinlichen Fall? Logan, sag mir die Wahrheit: Denkst du, ihr ist etwas passiert?«
    Er schwieg einen Moment, dann verzog er das Gesicht. »Zumindest halte ich es nicht für ausgeschlossen. Auf dem Küchentisch standen eine Tasse Tee, in der noch der Beutel hing, und ein Teller mit einem vergammelten Sandwich. Daneben lag eine Zeitung von letzter Woche. Auf den ersten Blick wirkt alles, als sei sie überstürzt abgehauen. Dass nichts zu fehlen scheint, spricht

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