Die Daemonenseherin
an Alessas Ohr drang, dann sagte er:»Nicht heute.«
Wieder sagte der andere etwas.
Logan warf einen kurzen Blick in ihre Richtung. »Nein, jetzt geht es nicht. Morgen, um zehn in Roberts’ Büro.« Dann legte er auf und verstaute das Telefon wieder. »Entschuldige, das war geschäftlich.«
Während sie aßen, sprachen sie über unverfängliche Dinge. Logan erzählte ihr von seinen Einsätzen für die Behörde und unter welchen Umständen die Spezialeinheit damals gegründet worden war, während Alessa seine Fragen zu ihrer Arbeit in Mr Farnsworths Laden beantwortete.
Nachdem sie gegessen hatten, entschuldigte sie sich und ging zur Toilette, um sich die Hände zu waschen. Sie ließ warmes Wasser über ihre Finger laufen und war froh, für einen Moment Logans wachsamen Blicken entkommen zu sein. In seiner Gegenwart fühlte sie sich, als müsse sie ständig auf der Hut sein, als genüge ein falscher Blick oder ein falsches Wort, um ihn wissen zu lassen, was sie vor ihm verbarg. Es war Unsinn, denn sichtlich hatte er noch immer keine Ahnung, was sie war, und doch war dieser Abend für sie ein Spagat zwischen dem, was gesagt, und dem, was nicht gesagt wurde. Ein ähnlicher Balanceakt war es für ihre Gefühle, die Vernunft auf der einen und der Wunsch nach Nähe auf der anderen Seite.
Mit dem festen Entschluss, den Abend zu beenden und nach Hause zu fahren, solange sie noch imstande war, klar zu denken, trocknete sie sich die Hände ab und kehrte in den Gastraum zurück.
Schon von Weitem sah sie, dass Logan nicht mehr allein war. Ein Mann hatte sich zu ihm gesetzt, den Mantel über die Lehne eines Stuhls gelegt, der vorhin noch nicht da gestanden hatte. Er saß mit dem Rücken zu Alessa, sodass sie erst nach einigen Schritten einen Blick auf sein Profil erhaschen konnte. Doch es waren nicht seine freundlichen Züge und auch nicht das akkurat sitzende Haar, die Alessas Aufmerksamkeit auf sich zogen, sondern die farblich zu seinem Anzug passenden hellgrauen Lederhandschuhe.
Ein Seher!
Sein Anblick ließ sie mitten im Schritt innehalten und hinter den Schutz eines hölzernen Raumteilers zurückweichen. Sie kannte den Mann, hatte ihn in der Gemeinschaft oft gesehen. Wenn sie nicht gewusst hätte, dass er sich dort im Dunstkreis des Rates bewegte, wäre sie womöglich zu dem Schluss gekommen, es könne sich um einen Informanten handeln, der Logan unter der Hand mit Informationen über die Gemeinschaft versorgte.
Andererseits gab es keinen Grund, warum er nicht trotzdem Interna an Logan weitergeben konnte, auch wenn der über das Erscheinen des Sehers alles andere als begeistert zu sein schien.
Alessa spähte hinter der Trennwand hervor und musterte den Mann. Wie war sein Name noch mal? Es dauerte einen Moment, ehe sie darauf kam. Devon. Devon Drake.
Drake.
»O mein Gott«, flüsterte sie.
Warum war ihr das nicht sofort aufgefallen? Devons Züge waren weicher und weniger markant als die seines Bruders, doch die Ähnlichkeit zwischen Logan und ihm ließ sich nicht verleugnen, auch wenn sie vom Typ her kaum verschiedener hätten sein können. Der eine ein teuer gekleideter Geschäftsmann, der andere ein lässig angezogener, aber ernster Agent der Behörde.
Da erinnerte sie sich an die Worte des Professors. Wenden Sie sich an Devon Drake, das neue Oberhaupt des Rates. Alessas Hände begannen zu zittern. War er die Hoffnung, die sie bereits begraben geglaubt hatte? Der Professor schien ihm vertraut zu haben. Devon Drake konnte dem Spuk womöglich ein für alle Mal ein Ende setzen.
Ihr Blick richtete sich auf Logan. Er sprach ruhig, doch in seinen Augen glommen eisige Funken, als er seinen Bruder ansah. Zu ihrem eigenen Erstaunen traute sie der Kälte in seinem Blick mehr als den Worten des Professors.
Alessa mischte sich unter eine Gruppe Jugendlicher, die auf dem Weg zum Ausgang war, schnappte sich ihren Parka von der Garderobe und verließ Hawkins Tavern ohne Abschied.
12
L ogan entlockte das Auftauchen seines Bruders nur wenig Begeisterung.
»Ich habe doch gesagt, wir treffen uns morgen bei Roberts«, sagte er ungehalten.
Devon schien sich nicht an dem unfreundlichen Empfang zu stören. Er schlüpfte aus seinem Mantel und legte ihn über die Lehne eines Stuhls, ehe er sich setzte. »Und ich habe dir gesagt, dass ich dich sprechen will.«
»Und du bekommst immer, was du willst.«
»Nein, aber ich habe es nicht so mit der Geduld – das liegt wohl in der Familie«, gab Devon lächelnd zurück. Er warf einen
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