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Die Daemonenseherin

Die Daemonenseherin

Titel: Die Daemonenseherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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normalen Welt, und unsere, wie du es nennst, starren Regeln sorgen dafür, dass sich jeder Seher seiner Gaben bewusst ist und sie nicht zu seinem eigenen Vorteil einsetzt oder damit Schaden anrichtet. Ich würde es als eine Art Hausordnung sehen.«
    »Hausordnung?« Jackies pragmatische Sichtweise veranlasste ihn zu einem Grinsen. Wie sie die Dinge erklärte, erschienen sie ihm vollkommen einleuchtend, während er, wenn Devon früher von den Regeln erzählt hatte, die Fußfesseln beinahe vor sich gesehen hatte, die die Gemeinschaft ihren Mitgliedern anlegte.
    Gestern hatte er mit Alessa über die Gemeinschaft gesprochen, doch ehe er Gelegenheit gefunden hatte, das Thema zu vertiefen, war Devon aufgetaucht. Mit seiner Schwägerin, von deren Existenz er vor einer Stunde noch nicht einmal etwas geahnt hatte, so offen darüber zu reden, fühlte sich seltsam an. Er hatte immer geglaubt, die Seher würden nicht viel über ihre Gemeinschaft preisgeben, im Augenblick jedoch sah es eher danach aus, als sei er es gewesen, der jede Gelegenheit zu einem Gespräch vermieden hatte.
    »Die meisten Seher sind ziemlich gewöhnlich«, fuhr Jackie fort. »Wir unterscheiden uns nur durch unsere Fähigkeiten von euch Normalos. Das Anwesen ist kein Knast, den wir nur bei guter Führung verlassen dürfen.« Sie breitete die Arme aus und präsentierte sich lächelnd. »Ich bin auch draußen, wie du siehst.«
    »Du bist mit dem Obersten Rat verheiratet und hier, um deinen Job zu tun.«
    »Schwager, du bist eine verdammt harte Nuss.«
    »Und weil ihr so frei seid, sieht man euch außerhalb der Arbeit so oft mit uns Normalos herumhängen.« Die Mitglieder der Gemeinschaft hielten sich von den Menschen fern und führten ihr eigenes Leben hinter den Mauern des Anwesens oder innerhalb von Fensmore. Sie ließen sich nicht in die Karten sehen.
    Jackie schüttelte den Kopf. »Das hängt eher damit zusammen, dass die meisten Menschen unsere Fähigkeiten fürchten. Die haben die Hosen gestrichen voll. Polizisten, Versicherungsbeamte und all die anderen, die unsere Dienste sonst gerne in Anspruch nehmen, haben Schiss vor uns. So nützlich wir sind, außerhalb der Arbeit wollen die meisten lieber nichts mit uns zu tun haben. Wir sind anders – und das fürchten sie. Möchtest du mit jemandem ein Bier trinken gehen, von dem du weißt, dass er hinter deinem Rücken das Zeichen gegen den Bösen Blick macht und erleichtert aufatmet, wenn du den Raum verlässt? Ich nicht. Deshalb bleiben wir unter uns, nicht weil wir etwas zu verbergen haben.«
    Natürlich wusste Logan, dass viele Leute die Seher argwöhnisch beäugten. Sie waren nützlich, aber auch fremd und unheimlich. »Ihr seid wohl so etwas wie der Klassenstreber, von dem man sich gerne seine Hausaufgaben machen lässt, mit dem man aber sonst nichts zu tun haben möchte.«
    Jackie zuckte nur die Schultern. »Vielleicht solltest du dein Bild von uns noch einmal überdenken.«
    Womöglich sollte er das. Aber konnte er sich all die Jahre wirklich so sehr getäuscht haben?
    »Weißt du«, fuhr Jackie fort, »für mich war es ein Segen, von der Gemeinschaft aufgenommen zu werden. Zu Hause – bei meinen leiblichen Eltern – habe ich mich immer wie eine Aussätzige gefühlt. Die skeptischen Blicke, Menschen, die mich mieden oder mit dem Finger auf mich zeigten und mich eine Missgeburt nannten, all das gehörte zu meinem Leben wie Kartoffelbrei zu Haggis. Dass es sich eher wie Zahnschmerzen anfühlte, wurde mir erst bewusst, als ich in die Gemeinschaft kam. Erst dort lernte ich, dass es keineswegs normal war, verlacht, gefürchtet und verprügelt zu werden, für das, was ich konnte.«
    Was sie sagte, ähnelte dem, was er schon von Alessa und Devon gehört hatte. Womöglich war es für begabte Kinder tatsächlich das Beste, unter ihresgleichen aufzuwachsen. Aber war es deshalb rechtens, Familien auseinanderzureißen? Nicht alle Eltern hassten oder fürchteten ihre Kinder, nur weil diese anders waren.
    Vor dem Haus des Professors stellte er den Wagen ab und führte Jackie hinein. Er stieg vor ihr die Stufen hinauf und blieb auf dem Treppenabsatz stehen, als er das zerrissene Absperrband sah, das im Luftzug hin und her schwang. Das Polizeisiegel über dem Schloss war gebrochen.
    »Stimmt etwas nicht?« Jackie spähte über seine Schulter.
    »Sieht so aus, als wäre jemand hier gewesen.«
    »Vielleicht noch einmal die Spurensicherung?«
    Logan schüttelte den Kopf. Wenn es jemand von der Polizei gewesen wäre,

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