Die Daemonenseherin
Ausgerechnet für eine Morduntersuchung musste Devon ihm eine Märchenfee schicken, die vermutlich beim ersten bösen Wort aus den Schuhen kippte. Von den Abscheulichkeiten, die sie am Tatort sehen würde, ganz zu schweigen.
Was ihn beinahe noch mehr irritierte als die Tatsache, dass es sich um eine Frau handelte, war ihr Lächeln. Es wollte ihm nicht in den Kopf, warum sie sich freuen sollte, jemanden von der Behörde zu sehen – noch dazu jemanden von seiner Einheit, die nicht gerade in dem Ruf stand, tiefe Freundschaft mit den Sehern zu pflegen.
Wenn Devon sich erhoffte, Logan ließe sich von diesem Püppchen und ihrem Lächeln um den Finger wickeln, hatte er sich gewaltig geirrt.
Während Logan mit dem Gedanken spielte, Devon anzurufen und ihn aufzufordern, ihm einen vernünftigen Seher zu schicken, einen, der auch belastbar war, stand die Elfe auf und kam auf ihn zu.
Noch immer lächelnd gab sie ihm die behandschuhte Hand. »Ich bin Jackie. Und wenn ich dich so ansehe, kannst du niemand anderes als mein Schwager Logan sein.«
»Schwager?« Er musste sich verhört haben.
»Er hat dir also nicht erzählt, dass wir verheiratet sind.« Es war eine Feststellung, keine Frage.
»Er hat mir nicht einmal gesagt, dass er mir eine Frau auf den Hals hetzen will – ganz zu schweigen davon, dass es seine Frau ist.«
Zu seinem Erstaunen lachte sie, wurde jedoch rasch wieder ernst. »Ihr beiden redet nicht viel«, sagte sie, dann schüttelte sie den Kopf. »Wirklich eine Schande, wenn man bedenkt, wie nah ihr euch einmal gestanden habt.«
»Das hat er erzählt?«
»Nein, das fühle ich.«
Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass sie noch immer seine Hand hielt. Sie trug Handschuhe! Wie konnte sie da etwas auffangen?
Doch Jackie lachte. »Nein, nicht durch das Leder, keine Sorge. Aber zu Hause trage ich die Dinger nicht. Deshalb weiß ich, was in Devon vorgeht, wenn dein Name fällt.«
Zum ersten Mal fragte er sich, wie es für einen Seher sein mochte, einen anderen Menschen ohne Handschuhe zu berühren. Wie ließen sich die Bilder, Gedanken und Gefühle, die sie von anderen empfingen und die zweifelsohne nicht immer erfreulich waren, ertragen?
Was mochte Alessa empfinden, wenn sie ihn berührte?
»Was hast du gedacht?«
Jackies Frage riss ihn aus seinen Gedanken.
»Dass wir Seher keine Gefühle haben? Dass wir uns nicht verlieben wie jeder andere auch?«
Ich hoffe sehr, dass ihr das tut. Zumindest eine von euch.
»Was ist, gehen wir es an?«, wollte Jackie wissen. »Bringst du mich zum ersten Tatort?«
»Sicher.«
Er führte Jackie zu seinem Defender und hielt ihr die Tür auf, ehe er selbst einstieg.
Als Erstes wollte er ihr die Wohnung des Professors zeigen. Wenn sie beim Anblick des Blutes und der Dinge, die sein Auge nicht erfassen konnte, nicht zusammenklappte, würde er den zweiten Tatort mit ihr anfahren.
Unterwegs erzählte Jackie viel von seinem Bruder. Logan hörte kleine Anekdoten, erfuhr, welche Dinge Devon gerne tat und was er nicht ausstehen konnte. An einiges erinnerte sich Logan noch gut, anderes war neu.
Es war seltsam, doch Jackies Geschichten gaben ihm das Gefühl, Devon neu kennenzulernen, mehr über den Mann zu erfahren, zu dem er geworden war. Und vielleicht konnte er ihn sogar ein wenig besser verstehen.
Trotzdem hatte Devon seine Familie verlassen, ohne sich noch einmal umzudrehen. Sicher, er war sie besuchen gekommen – zumindest anfangs –, doch selbst da war die Distanz bereits zu spüren gewesen, die sein Weggang geschaffen hatte. Als hätte jemand eine dicke Glasscheibe zwischen sie geschoben, sodass sie einander zwar sehen, aber nicht länger verstehen konnten.
Während sie an einer roten Ampel standen, sah Jackie ihn an. »Wusstest du, dass Devon ein Foto von dir in seiner Brieftasche hat? Kein Bild, so wie du jetzt aussiehst, sondern von einem kleinen, grinsenden Jungen mit Zahnlücken. Du warst ziemlich niedlich.«
Zu seiner eigenen Überraschung stellte Logan fest, dass er Jackie mochte. Seine Schwägerin war eine offene und fröhliche Frau, die so gar nicht in die Gemeinschaft zu passen schien. »Du bist so vollkommen anders als jeder Seher, der mir bisher begegnet ist.« Von Alessa einmal abgesehen. »Wie hältst du es dort aus? Wie erträgst du die starren Regeln der Gemeinschaft?«
»Bei uns geht es nicht anders zu als in jeder Stadt und jedem Land. Als Basis für ein vernünftiges Miteinander sind Regeln nun einmal wichtig. Wir halten uns an die Gesetze der
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