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Die Daemonenseherin

Die Daemonenseherin

Titel: Die Daemonenseherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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Nicht jetzt! Halt still!
    Er brauchte so viel freie Angriffsfläche wie möglich. Wenn sie sich bewegte, lief er Gefahr, sie zu treffen.
    Ich muss schneller sein!
    Er riss den Schürhaken aus der Halterung, fuhr herum und holte aus.
    Alessa öffnete die Augen.
    Die Kreatur über ihr flimmerte wie ein schlechtes Fernsehbild und verblasste.
    »Was tust du da?«, fragte sie verschlafen.
    Logan, der noch immer die Stelle anstarrte, an der das Monster über ihr gekauert hatte, ließ seine improvisierte Waffe sinken. Nur langsam dämmerte ihm, dass das nicht der echte Dämon gewesen sein konnte, sondern lediglich ein Abbild. Ein Vorbote dessen, was bald aus ihr herausbrechen würde.
    »Ich dachte, du hättest vielleicht gerne ein gemütliches Feuer im Kamin.«
    Alessa setzte sich auf. »Und deshalb schwingst du das Teil wie einen Knüppel?«
    In ihren Augen lag kein Misstrauen und ihre Stimme war frei von Argwohn, doch ein falsches Wort von ihm konnte das schlagartig ändern. Was, wenn sie auf den Gedanken käme, er hätte vorgehabt sie anzugreifen?
    Das ist doch Unsinn! Warum sollte sie denken, ich wolle mit einem Schürhaken auf sie losgehen, wenn eine Pistole auf dem Nachttisch liegt?
    »Golf. Das ist so eine Angewohnheit von mir.« Er schwang den Schürhaken erneut und hoffte, dass die Geste dem Schwung eines Golfschlägers ähnelte. »Ich spiele eigentlich nicht, aber manchmal …« Er zuckte die Schultern und hängte den Schürhaken wieder an seinen Platz, wohl wissend, dass er sich wie ein Idiot anhören musste.
    Sag ihr, was du gesehen hast! Sag ihr, dass es höchste Zeit ist, etwas zu unternehmen!
    »Golf?«, hakte sie nach, bevor er etwas über den Dämon sagen konnte. Mit einem breiten Lächeln musterte sie ihn von oben bis unten, ehe ihr Blick auf seiner Männlichkeit hängen blieb. »Nackt?«
    »Deswegen gehe ich nicht auf den Golfplatz.« Er zog die Schlafzimmertür zu und schlüpfte zu ihr unter die Decke. Während er sich fragte, ob der Dämon von jetzt an immer ausbrechen würde, sobald sie schlief, zog er sie in seine Arme und küsste sie.
    »Du bist ganz kalt.« Sie begann mit den Händen über seinen Körper zu reiben, um ihn aufzuwärmen, doch es war nicht allein seine Haut, die sich dabei erhitzte. Es fiel ihm schwer, nicht wie ein Teenager im Hormonrausch über sie herzufallen, und sich stattdessen in Erinnerung zu rufen, dass es einiges zu besprechen gab.
    Als ihre Hände seiner Mitte gefährlich nahe kamen, zog er sie an seine Brust und küsste sie auf die Stirn. »Ich glaube, ich habe dir noch nicht von meinem Bruder erzählt.«
    Ihre Hände hielten an seinen Hüften inne. »Nein, das hast du nicht. Aber ich weiß inzwischen, wer er ist. Ich habe ihn gesehen – gestern im Pub.«
    Logan nickte. Das hatte er sich bereits gedacht. »Er hat uns im Stich gelassen.« Schon lange hatte er einem anderen Menschen gegenüber nicht mehr als zwei Sätze über seine Kindheit verloren. Selbst Morgan kannte nur eine Kurzfassung. Alessa jedoch sollte alles erfahren, deshalb offenbarte er ihr jetzt Stück für Stück, was damals geschehen war, wie sehr er seinen Bruder vergöttert und wie sich alles verändert hatte, nachdem er von der Gemeinschaft aufgenommen worden war. »Drei Jahre durften wir ihn nicht sehen, nicht einmal mit ihm telefonieren. Das war die Zeit seiner Ausbildung, in der er lernte, seine Gabe bewusst einzusetzen.«
    Selbst nach so vielen Jahren schmerzte die Erinnerung noch immer. Er hätte schweigen können, doch er wollte, dass Alessa verstand, warum sein Verhältnis zu seinem Bruder so zwiespältig war. Abgesehen davon war es für sie vermutlich auch nicht leicht gewesen, über ihre Eltern zu sprechen, die ein Monster in ihr gesehen hatten.
    »Als er uns endlich besuchen kam, war er ein anderer Mensch«, fuhr er fort, darum bemüht, die Bilder der Vergangenheit nicht zu deutlich in sich aufsteigen zu lassen, was ihm jedoch nicht gelang. Er sah alles so plastisch vor sich, als wäre es eben erst geschehen. Die maskenhaft erstarrten Gesichter seiner Eltern, Devons Lächeln, das so fremd gewirkt hatte. »Die Vertrautheit, die früher zwischen uns geherrscht hatte, war fort. Seine Verbindung zur Gemeinschaft war enger als die zu seiner eigenen Familie. Entsprechend schnell war sein Besuch auch wieder vorbei. Danach sahen wir ihn nur noch selten. Meistens meldete er sich zu Weihnachten oder an Geburtstagen – anfangs rief er noch an, später schickte er bloß noch Postkarten. Irgendwann nicht

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