Die Dame aus Potsdam
– das macht Lupus.«
»Ach, ihr setzt Wölfe ein«, frotzelte Noack. »Darum gibt’s bei euch keine Personalprobleme. Bis dann.«
Die Brainstormer schmunzelten.
Freiberg schaute auf die Uhr. »Ahrens, wenn du deinen Koffer holst, versuch Kommissarin Lette aufzutreiben. Sie ist mit Sabine in meinem roten Golf unterwegs; die übliche Sightseeingtour: Villa Hammerschmidt, Palais Schaumburg, Bundeshaus – und rauf zur Godesburg. Die zwei wollten dort einen Kaffee trinken. Ich rufe an und hinterlasse eine Nachricht. Du weißt, worum es geht: Frau Lette muß sofort ihre Sachen packen. Wann bist du reisefertig? – Reichen zwei Stunden?«
»Allemal, Chef. Welcher Wagen?«
»Sieh zu, daß du den Mercedes bekommst; du holst mich dann in meiner Wohnung ab.«
Lupus schob Ahrens mit einer freundschaftlichen Bewegung durch die Tür. »Laß dich von deiner Octopussy umarmen – und dann ab mit dir! Gute Fahrt, und komm heil wieder!« Dann wandte er sich Freiberg zu. »Und was bleibt für mich?«
»Alles! Nimm dir die ganze Gesellschaft vor, aber gründlich. Die Zeit für Rücksichtnahmen ist vorbei. Jeder, der in der Tatnacht in Bonn war, ist verdächtig. – Quetsch sie aus!«
Lupus grinste. »Worauf du dich verlassen kannst.«
»Und wer kommt zuerst dran?« fragte der Kommissar nach einem feststehenden Ritual, wobei er die Antwort schon kannte.
»Die Frau, zuerst immer die Frau!« kam es dann auch wie aus der Pistole geschossen. »Ich werde mir Hartensteins Lebensgefährtin zur Brust nehmen, diese für uns bis jetzt noch ganz blasse Frau Mühlberg.«
»Hab Mitleid mit der Kreatur«, sagte Fräulein Kuhnert, die nach dem schnellen Abschied von ihrem Ahrens wieder ins Zimmer gekommen war und die letzten Worte gehört hatte.
16
Die Fahrt nach Potsdam war ein Schlauch. Die Autos auf Deutschlands Straßen schienen sich seit dem Fall der Mauer im Quadrat vermehrt zu haben. Über die Ruhrtangente schnaubten Hunderte von Brummis nach Norden. Auf der Gegenfahrbahn sah es kaum anders aus. Ahrens versuchte, die Spur zu halten und nicht nach rechts in eine Lücke zwischen den Lkws abgedrückt zu werden. Wer einmal darin festsaß, konnte lange warten, bis es ihm gelang, wieder auf die etwas schnellere linke Fahrbahn zu gelangen. Rechts fahren stand zwar in der Straßenverkehrsordnung, doch links bleiben war das Gebot der Stunde.
Walter Freiberg saß auf dem Beifahrersitz, so daß Angelika Lette die Rückbank für sich hatte und ihre Beine hochlegen konnte. Vom Leverkusener Kreuz bis Hannover war die Diskussion lebhaft. Niemand sah einen halbwegs plausiblen Grund für den Tod von Silke Marino.
»An Selbstmord kann ich nicht so recht glauben«, meinte Kommissarin Lette, »und wenn es Mord war, dann muß er mit ihrer Vergangenheit zusammenhängen. Aber was soll das Spekulieren?« Vom Fahrgeräusch müde, legte sie den Kopf zurück und schlief ein.
Freiberg drehte sich um und sah ein vom Schlaf entspanntes, rosiges Gesicht. Was wußte er schon von dieser Frau, die ihn auf eigenartige Weise anzog? Er zwang seine Gedanken in eine andere Richtung und stellte sich die Frage, warum Beate Randolf vor dem Abflug nach Bonn Silke Marino aufgesucht hatte. Er fand keine stichhaltige Erklärung und verfiel bald in einen unruhigen Schlaf.
Erst als Ahrens die Tankstelle Ziesar anfuhr, war es mit der Schlummerstunde vorbei. Super bleifrei war wieder mal, teurer geworden. Ahrens knurrte. Da er keine Zeit mehr gehabt hatte, sich mit Vorschüssen ausstatten zu lassen, blieb nur das eigene Portemonnaie.
An der Abzweigung nach Leipzig sagte Freiberg: »Hier in dieser Gegend, bis Beelitz rüber, hat es 1945 schwere Kämpfe mit hohen Verlusten gegeben, als die Deutschen vergeblich versuchten, den Ring der Russen um Berlin aufzubrechen.«
»Da war ich noch nicht einmal geboren«, sinnierte Angelika Lette. »Und vor gar nicht langer Zeit wurde Beelitz zu Erich Honeckers Nachtasyl, bevor er sich nach Moskau verdrückt hat.«
Der Verkehr war nicht mehr ganz $0 dicht. Ahrens betrachtete die vorbeihuschende Landschaft und pfiff leise Melodienfetzen vor sich hin, aus denen sich »Märkische Heide – märkischer Sand« entwickelte. Angelika Lette summte mit. Plötzlich erklärte sie: »Wir fahren nicht über Michendorf, sondern nehmen die Abfahrt Babelsberg; dann sind wir in ein paar Minuten am Ereignisort.« An die Terminologie »Tatort« hatte sie sich noch nicht gewöhnt.
»In diesem Gefährt über unsere Straßen hier zu holpern,
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