Die Dame aus Potsdam
prophylaktisch durch den Computer gedreht – er darf bleiben!«
»Hast du auch deine elektronischen Lauscher eingeschaltet?« fragte Sörensen. »Oder sind wir soviel Aufmerksamkeit nicht wert?«
»All Systems go«, lachte Kolberg. »Ihr könnt frei drauflos reden.«
Sörensen legte den Sachverhalt dar und kam sofort auf den Punkt: »Um in den beiden Mordsachen in Bonn und Potsdam weiterzukommen, müssen wir wissen, ob Hartensteins Lebensgefährtin Ilse Mühlberg hier bekannt ist – positiv oder negativ.«
»Na, na«, bremste Kolberg, »so direkt haben wir es nicht so gern. Kollege Müller, erzählen Sie doch erst mal, welchen Eindruck die Dame gemacht hat und was Sie von ihr erfahren haben.«
Lupus mußte sich ein Grinsen verkneifen und sagte: »Der Eindruck von ihr als Frau hätte kaum besser sein können; attraktiv, schick gekleidet und sehr selbstbewußt – im übrigen eine sehr undurchsichtige Frau, die mit Sicherheit mehr weiß, als sie sagt.«
»So, so!«
»Ich vermute, daß es im Kreis der königlichen MfS-Kaufleute Pressionen gibt, die wir mit den bescheidenen Mitteln der Mordkommission nicht aufklären können, und daß Ilse Mühlberg gehalten ist, darüber zu schweigen. Es würde mich nicht wundern, wenn sie unter einer schützenden Hand aus Köln steht, und das muß nicht unbedingt die des Kardinals sein.«
»Kollege Müller – Lupus, der Wolf, wie er bei uns heißt – ist auch sehr direkt, wie du hörst; aber Mord ist kein Gesellschaftsspiel«, schob Sörensen nach. »Da darf man schon etwas aus dem Nähkästchen des Bundesamts erwarten. Wir sind ja gern bereit, alles schnell wieder zu vergessen, was wir hier erfahren.«
»Laß mal sehen«, sagte Kolberg zu Oberamtsrat Mechtenbrink und nahm ihm einen Zettel aus der Hand. »Wir haben inzwischen von unseren Freunden die Bestätigung erhalten, daß Silke Marino ermordet worden ist.«
Das war eine Feststellung, mit der Lupus nichts anfangen konnte. Schließlich hatte der Polizeipräsident von Potsdam Kommissar Freiberg angefordert, um eben diesen Mord, aufzuklären. Doch Sörensen wußte sofort, worum es ging. »Wenn die Guys von der CIA euch über den Fall Marino informieren, wird mir einiges klar. Das Starlet ist in den Strudel geraten, weil es Whisky trinken wollte, statt beim Wodka zu bleiben. Aber nun ist die Quelle versiegt; und da das Lockvögelchen liquidiert wurde, kann der amerikanische Werbefilmfritze seinen Laden dichtmachen!«
Regierungsdirektor Kolberg verzog den Mund. »Du denkst zu schnell und vor allen Dingen zu laut. Nicht wahr, Herr Müller?«
Lupus hob treuherzig den Blick und zitierte: »Tod, wo ist dein Stachel, Hölle, wo ist dein Sieg!«
»Die Korinther helfen uns wohl auch nicht weiter«, sagte Sörensen. »Immerhin ist Punkt eins, Silke Marino, entschlüsselt; aber jetzt wird es Zeit, uns etwas mehr über die Mühlberg zu berichten. Jeder, der bei dem Abendessen bei den Munskaus teilgenommen hat, ist – um es ganz brutal zu sagen – des Mordes verdächtig. Es wäre doch für das BfV sehr peinlich, wenn das 1. K. diese clevere Dame in U-Haft nehmen müßte, und erst danach könntet ihr euren Entlastungsangriff starten. Nun mach das Kästchen noch einen Spalt weiter auf. Wir haben ein schwaches Langzeitgedächtnis, das kann für diesen Fall sehr nützlich sein.«
»Ihr seid doch geheimermächtigt?« fragte Regierungsdirektor Kolberg routinemäßig.
»So ist es«, erklärte Sörensen.
Lupus gab ein schlichtes »Ja« von sich.
»Nun gut, im Hinblick darauf, daß wir aus der Aufklärung des Mordfalls auch einen Ermittlungsnutzen erwarten dürfen, nur soviel: Wir haben den begründeten Verdacht, daß von einigen Ehemaligen des MfS versucht wird, alte Mitarbeiter neu zu motivieren.«
»Für den KGB-Nachfolger?« fragte Sörensen.
»Sieht ganz so aus; aber es könnten auch andere Dienste der früheren Bruderländer ein Interesse haben, in der neuen Bundesrepublik Mitarbeiter zu finden. Daß ich hier überhaupt etwas zu diesem Problem sage, hat einen anderen Grund als den, die Sicherheitslage zu analysieren. Wenn die Gegenseite es für notwendig erachtet hat, die Mitarbeiterin unserer US-Freunde auszuschalten, dann kann man nie wissen, was ihnen über die deutschen Geheimschutzmaßnahmen bekannt ist. Wir möchten unter allen Umständen vermeiden, daß uns ähnliche Überraschungen ins Haus stehen. Darum haben wir ein starkes Eigeninteresse, daß die beiden Morde schnellstens aufgeklärt werden. Wenn Hartenstein mit
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