Die Dame aus Potsdam
lagen Fingerabdrücke vor. In kaum einer halben Stunde hatte Lupus die Zusage, daß man die Abdrücke schnellstens dem Polizeipräsidium Potsdam übermitteln werde.
Sörensen vom Staatsschutzkommissariat verhielt sich eher zugeknöpft, als er die Fragen betreffend Frau Mühlberg hörte. Erst als er von Freibergs Verdacht im Fall Marino erfuhr, war sein Interesse geweckt. »Moment – Hartenstein ist in Potsdam, und genau in dieser Zeit wird Silke Marino ermordet?«
»So ist es. Die Überprüfung der Fingerabdrücke läuft. Aber wir wissen noch zuwenig über seine Lebensgefährtin Ilse Mühlberg. So unbedarft, wie die sich gibt, kann sie einfach nicht sein! Vielleicht wäre Köln unser richtiger Gesprächspartner?«
Sörensen stöhnte. »Uff – fünf Minuten vor meinem Ruhestand macht das 1. K. mir das Leben schwer. Na gut, ich werde es versuchen. Laß mich bitte allein; ich melde mich in ein paar Minuten.«
Lupus war noch auf den letzten Treppenstufen, als die Kuhnert ihm zuwinkte. »Gleich weiter in die Tiefgarage. Du fährst mit Sörensen nach Köln. Unser Laden entwickelt sich ja langsam zum Reisebüro, aber ich hocke hinter dem Schreibtisch und kriege das Spannendste nur gefiltert mit.«
»Armes Kind! Ich erzähl’ dir nachher, wie schön es war.«
»Sagte ich’s doch – gefiltert!« murmelte Fräulein Kuhnert.
Sörensen hatte den Omega mit der Zivilnummer genommen und ihn schon bis zur Ausfahrt gefahren.
»Diese Geschichte läßt sich telefonisch nicht erledigen«, erklärte er, als Lupus zugestiegen war. »Aber man ist so gnädig, uns zu empfangen.«
»Donnerwetter, das gibt’s nicht alle Tage; da muß was im Busch sein.« Lupus war beeindruckt.
Sörensen tat so, als erfordere der Stadtverkehr seine ganze Aufmerksamkeit. Erst auf der Autobahn sagte er: »Ohne den Mord an der Marino hätten die uns nicht vorgelassen. – Tu mir bitte einen Gefallen, und halt dich im Gespräch zurück. Ich zweifle sehr, daß dort rheinische Fröhlichkeit gefragt ist. Und denk immer daran, daß die Verfassungshüter mehr erfahren wollen, als sie uns zu geben bereit sind. Also überleg dir deine Antworten genau.«
Lupus nickte. Obwohl er – anders als Kommissar Freiberg – Sörensen duzte, wahrte er Distanz. Er hatte großen Respekt vor dem Kollegen, der im Laufe der Jahre mit Riesenschritten auf der Beamtenlaufbahn an ihm vorbeigezogen war. So ein As in seinem Fach hatte den Vorsprung verdient.
»Zur alten Dependance an der Inneren Kanalstraße hatten wir es näher«, erläuterte Sörensen, als er den Omega über den stark befahrenen Autobahnring westlich an der Domstadt vorbeisteuerte. »Aber du wirst dich wundern, was die in Köln-Chorweiler für eine neue Zentrale in die Landschaft geklotzt haben. Man braucht ja auch eine Menge Platz für über zweitausend Mitarbeiter.«
»Das sind immer noch kleine Fische«, meinte Lupus. »Beim Stasi waren es einige zehntausend mehr.«
Zwischen der Merian- und Mercatorstraße, hinter stabilen Eisengittern mit sichtbar angebrachten Fernsehaugen, hatte sich die Staatsmacht mit angemessenem Sicherheitsabstand zu den Bürgern des Landes in einem strengen Gebäudekomplex verbarrikadiert. Dem dreizackigen Mittelteil waren die vorgelagerten Flachbauten durch ein halbes Dutzend Quergebäude angegliedert. Die Gesamtanlage bildete ein geschlossenes Rechteck.
Schon bei der Vorfahrt wurden die Besucher durch den Eindruck der Macht auf das menschliche Kleinmaß zurechtgestutzt.
Aber es ging moderat zu. Der BGS-Beamte mit locker über der Schulter baumelnder Maschinenpistole blieb im Hintergrund. Ein Mann des Hausdienstes ließ sich die Ausweise zeigen, nahm den Gesprächswunsch entgegen und bat, Platz zu nehmen. Kurz darauf kam ein kleiner, untersetzter Mann aus der Tür des Aufzugs auf sie zu. Oberamtsrat Mechtenbrink gehörte schon seit Jahren zur Abteilung V, vorbeugender Geheimschutz. Nach der kurzen Begrüßung ging es einige Etagen aufwärts. An der Tür zum kleinen Besprechungszimmer wartete bereits Regierungsdirektor Kolberg, ein schlanker Mittvierziger, der mit grauer Hose, Kombijacke und lose geschlungener Krawatte salopper gekleidet war, als Lupus erwartet hatte. Sörensen wurde wie ein vertrauter Weggenosse begrüßt. »Sieh an, der Pensionär in spe im Bunker der Wahrheit.« Er deutete auf Lupus. »Ist das der Kollege, der dich hertreibt?«
Sörensen machte die beiden miteinander bekannt. Kolberg scherzte: »Den Herrn Müller vom 1. Kommissariat haben wir schon mal
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