Die Dame aus Potsdam
abgelegt hatte und jetzt eine leichte Bluse mit weitschwingendem Rock trug, ungläubig an. »Ja verdammt, warum haben Sie das nicht der Polizei gemeldet? Wir hatten doch über die Presse um Hinweise aus der Bevölkerung gebeten.«
Sie lächelte undurchsichtig. »Dazu sah ich keinerlei Veranlassung. Im übrigen ist unsere Polizei ja tüchtig genug, um die Identität des Toten selbst herauszufinden. Ihr Besuch ist doch der beste Beweis. Habe ich damit schon die Antwort auf Ihre Frage gegeben?«
»Ich werd’ Ihnen was sagen!« fauchte Lupus. »Alle Teilnehmer an dieser seltsamen Tischrunde haben den Toten gekannt, und niemand hat sich gemeldet. Das finde ich mit Verlaub sehr eigenartig. Für mich gehören Sie damit zum Kreis der Tatverdächtigen.«
Immer noch stand das undurchsichtige Lächeln im Raum. »Beate Randolf aber doch wohl nicht; die ist am Sonntag nach Potsdam zurückgefahren.«
»Gedacht, Madame. Sie war bis Montag in Bonn und hat sich anschließend die Kunstschätze in Köln angesehen.«
»Mit Bernd Kalisch etwa?«
»Sie wissen also von ihrer Beziehung?«
Ilse Mühlberg sah Lupus nachsichtig an. »Wirklich kein Kunststück für eine Frau, das zu erkennen, wenn sie die Augen offenhält – auch beim Essen.«
»Und wo waren Sie in der Nacht von Sonntag auf Montag?«
Sie zeigte zum Computer. »Ich habe bis zum Morgengrauen am Bildschirm gesessen und ein Sachbuch übersetzt. ›Radar im Weltraum‹, eine Auftragsarbeit für einen technischen Verlag.«
»Und Ihr Lebensgefährte? – Wo war der?«
Das Wort schien sie nicht zu mögen. »Herr Hartenstein war, soviel ich weiß, geschäftlich unterwegs. Unser gegenseitiges privates Interesse ist nicht so stark, wie Sie vielleicht vermuten. Uns verbindet das Geschäft, nicht das Geschlecht. – Möchten Sie es noch genauer wissen?«
»Ja, das möchte ich in der Tat! – Wo ist Hartenstein jetzt?«
»Auf Geschäftsreise.«
In Lupus kroch langsam die Wut hoch. »Also, jetzt mal Klartext. Weder Sie noch Jens Hartenstein haben ein Alibi für die Nacht. Als ehemaliger Major des MfS dürfte er wohl gut mit einer Makarow umgehen können; und wenn er von Valentin Randolf genauso unter Druck gesetzt worden ist wie Stefan Munskau, könnte er vielleicht mit anderer Münze bezahlt haben. Kurzum, ich mache Sie darauf aufmerksam, daß wir in einer Mordsache ermitteln. Sie sind als Zeugin zur wahrheitsgemäßen Aussage verpflichtet. Also noch mal die Frage: Wo war Hartenstein in der fraglichen Nacht – und wo ist er jetzt?«
»Oh, der Herr Beamte wird böse. Wo Hartenstein in der fraglichen Nacht war – geschäftlich, wie er Sagte –, weiß ich nicht. Jetzt ist er jedenfalls in Potsdam, um die Anmietung von Räumen für ein Zweiggeschäft zu klären. Genau das und nur das, hat er hinterlassen. Durch ein späteres Telefongespräch weiß ich noch, daß er sich mit ein paar Freunden aus dem Distel-Club treffen wollte.«
Lupus wechselte das Thema. »Hatte die Firma schon einmal Probleme mit dem Zoll?«
»Wieso? – Wir importieren und exportieren Autozubehör; da gibt es schon mal Streitfragen wegen der Tarifierung.«
»Die laufenden Geschäfte interessieren mich nicht. Ich denke eher« – Lupus dehnte den Satz – »an illegale Einfuhren, Drogen zum Beispiel.«
Ilse Mühlberg lächelte überlegen. »Ja, auch das Problem hatten wir – vor einem Jahr etwa. Hartenstein war mit dem Dreitonner mit Fahrer unterwegs, um Reifen und Zubehör aus Belgien abzuholen. Bei einer Routinekontrolle haben die Zöllner in der Reisetasche des Fahrers ein paar Portionen Kokain entdeckt. Das hat ein Mordstheater gegeben, auch für den Herrn Unternehmer höchstpersönlich: Leibesvisitation, Fingerabdrücke, stundenlange Vernehmungen – und danach hatten wir die scharfen Hunde von der Zollfahndung im Betrieb. Die haben jeden Karton geöffnet, jeden Schrank durchstöbert und – darüber war ich wirklich sauer – sogar die Wohnung hier im Haus durchsucht. Aber sie haben nichts gefunden, gar nichts. Wie sollten sie auch! Der Fahrer ist natürlich rausgeflogen.«
»Wissen Sie, was Valentin Randolf in Bonn vorhatte? Wird hier Druck ausgeübt wegen krummer Geschäfte? Drückt vielleicht die gemeinsame Vergangenheit beim MfS? – Sie sind mir zu clever, um nicht zu wissen, was läuft.«
Ilse Mühlberg erhob sich, zog die Schranktür auf und stellte zwei Gläser und eine Kristallkaraffe auf den Tisch. »Würden Sie einen Cognac mit mir trinken?«
»Danke nein; ich möchte nur meine
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