Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See
folgten ihm, und weiter hinten, in geringem Abstand, trottete Hecht mit seinem Gesindel.
»Dank Euch, Ihr Herren Soldaten«, sagte nach einer Weile der Händler, während er den Esel mit einer Gerte antrieb. »Und auch dir danke, junger Mann.«
»Schon gut.« Der Landsknecht winkte ab. »Wir sind’s gewöhnt.«
»Alle Möglichen ziehen sie ein.« Sein Kamerad warf einen Blick über die Schulter zurück. »Wenn ein Dorf oder eine Kleinstadt von jedem zehnten Hof einen Rekruten stellen muss, dann nutzen sie das mitunter, um auf die Weise die ärgsten Mistkerle loszuwerden. Und später sind die Straßen voll von solchen, wie heißt’s doch, Wegelagerern. Na, aber beim Heer bringt ihnen dann der Stock des Unteroffiziers Gehorsam bei, da lernen die Galgenvögel Mores, wenn sie einmal, zweimal Spießruten gelaufen sind …«
»Ich«, beeilte sich Jarre zu erklären, »gehe mich freiwillig melden, nicht als Rekrut.«
»Löblich, löblich.« Der Landsknecht schaute ihn an, zwirbelte ein gewachstes Schnurrbartende. »Ich seh doch, dass du aus anderem Stoff bist als die da. Wieso bist du mit denen zusammen?«
»Das Schicksal hat uns zusammengeführt.«
»Ich habe schon« – die Stimme des Soldaten klang ernst – »solche schicksalhaften Zusammenführungen und Verbrüderungen gesehen, da haben sie die Verbrüderten alle unter ein und denselben Galgen geführt. Zieh eine Lehre daraus, Junge.«
»Werd ich.«
Ehe die von Wolken etwas verhüllte Sonne im Zenit stand, erreichten sie eine Chaussee. Hier erwartete sie eine Zwangspause auf der Reise. Wie die ansehnliche Gruppe von Reisenden, die vor ihnen dort angelangt waren, mussten Jarre und seine Gefährten Halt machen – die Chaussee war nämlich voll marschierender Truppen.
»Nach Süden«, kommentierte einer der Landsknechte vielsagend die Richtung. »An die Front. Nach Maribor und Mayena.«
»Schau auf die Feldzeichen.« Der andere deutete mit einer Kopfbewegung hin.
»Redanier«, sagte Jarre. »Silberne Adler auf Karminrot.«
»Gut erkannt.« Der Landsknecht klopfte ihm auf die Schulter. »Bist ein richtig schlauer Bursche. Das sind redanische Truppen, die uns Königin Hedwig zu Hilfe geschickt hat. Unsere Stärke liegt jetzt in der Einigkeit – Temerien, Redanien, Aedirn, Kaedwen, jetzt sind wir alle Verbündete, streiten für dieselbe Sache.«
»Reichlich spät«, sagte hinter ihnen Hecht mit vernehmlichem Vorwurf. Der Landsknecht wandte sich um, sagte aber nichts.
»Setzen wir uns«, schlug Melfi vor, »und gönnen den HaxenRuhe. Diese Truppen nehmen kein Ende, es wird lange dauern, ehe die Straße frei ist.«
»Setzen wir uns dorthin«, sagte der Händler, »auf das Hügelchen, da ist das Prospektum besser.«
Die redanische Kavallerie war vorüber, hinter ihr wirbelten marschierende Armbrustschützen und Schildträger Staub auf. Danach kam im Schritt eine Kolonne Panzerreiterei.
»Die da« – Melfi zeigte auf die Panzerreiter – »haben aber ein anderes Feldzeichen. Eine schwarze Standarte haben die, mit irgendwelchen weißen Fleckchen drauf.«
»Sowas von finsterer Provinz.« Der Landsknecht schaute ihn voller Verachtung an. »Erkennt das Wappen seines eigenen Königs nicht. Das sind silberne Lilien, du Holzkopf …«
»Schwarzes Feld, mit silbernen Lilien besät«, sagte Jarre und verspürte sogleich den Wunsch, zu beweisen, dass er jedenfalls kein finsterer Provinzler war.
»Im alten Wappen des Königreichs Temerien«, begann er, »war ein schreitender Löwe zu sehen. Aber die temerischen Kronprinzen benutzten ein abgewandeltes Wappen, dergestalt, dass ein zusätzliches Feld mit drei Lilien hinzugefügt wurde. Denn in der heraldischen Symbolik ist die Lilie die Blume oder Zeichen des Thronfolgers, des Königssohns, der Thron und Zepter erbt …«
»Klugscheißer, beschissner«, zischte Klaproth.
»Lass ihn in Ruhe und halt die Klappe, Pferdekopf«, sagte der Landsknecht drohend. »Und du, Junge, erzähl weiter. Es ist interessant.«
»Als aber Prinz Goidemar, der Sohn des alten Königs Gardik, gegen die Aufständischen der Teufelin Falka zu Felde zog, kämpfte das temerische Heer just unter seinem Feldzeichen, unter dem Lilienwappen, und errang Siege. Und als Goidemar seinem Vater auf den Thron folgte, bestimmte er zur Erinnerung an diese Siege und für die Errettung seiner Frau und der Kinder aus Feindeshand zum Wappen des Königreichs drei Lilien imschwarzen Feld. Und später änderte König Cedric das Landeswappen durch
Weitere Kostenlose Bücher