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Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Titel: Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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Jarre«, sagte er. »Weißt du, wofür?«
    »Nein.«
    »Verstell dich nicht. Mir gegenüber brauchst du das nicht. Es ist lobenswert, dass du nicht mit der Wimper gezuckt hast, als von dieser Cirilla die Rede war. Noch lobenswerter ist, dass du da das Maul nicht aufgemacht hast   … Na, na, zieh kein dummes Gesicht. Ich habe viel von dem erfahren, was bei Nenneke hinterden Tempelmauern vorging, du kannst mir glauben – viel. Und falls dir das nicht genügt, sollst du wissen, dass ich gehört habe, welchen Namen dir der Händler in das Medaillon geschrieben hat.
    Mach weiter so.« Der Zwerg gab sich taktvoll den Anschein, nicht zu bemerken, wie der Bursche rot anlief. »Weiter so, Jarre. Und nicht nur, was Ciri angeht   … Was glotzt du da so an?«
    Auf der Wand eines Speichers, den man an der Mündung der Gasse sah, stand eine mit Tünche schief gemalte Aufschrift: MACH LIEBE KEINEN KRIEG.   Gleich darunter hatte jemand – in wesentlich kleineren Buchstaben – gekritzelt: MACH NEN HAUFEN AM MORGEN.
    »Schau woanders hin, Dummkopf«, bellte Dennis Cranmer. »Schon dafür, dass du dir solche Losungen anschaust, kannst du hopsgehen, und wenn du zur Unzeit was sagst, wirst du am Pfahl ausgepeitscht, die blutige Haut prügeln sie dir vom Buckel. Hier wird kurzer Prozess gemacht! Sehr kurzer!«
    »Ich habe«, murmelte Jarre, »einen Schuster am Pranger gesehen. Angeblich, weil er Defätismus gesät hat.«
    »Da hat er«, stellte der Zwerg ernst fest und zog den Burschen am Ärmel, »wahrscheinlich, als er seinen Sohn zur Einheit begleitet hat, geweint, anstatt patriotische Hochrufe auszustoßen. Für mehr Defätismus wird man hier anders bestraft. Komm, ich zeig’s dir.«
    Sie kamen auf einen kleinen Platz. Jarre wich zurück, bedeckte mit dem Ärmel Mund und Nase. An einem großen steinernen Galgen hing ein gutes Dutzend Leichen. Einige davon, wie der Anblick und der Geruch verrieten, schon lange.
    »Der da« – Dennis zeigte hin und verscheuchte gleichzeitig die Fliegen – »hat dummes Zeug auf Mauern und Planen geschrieben. Der da hat behauptet, der Krieg sei eine Angelegenheit der hohen Herren und die in Nilfgaard eingezogenen Bauernburschen seien nicht seine Feinde. Der da hat im Suff den folgenden Witz erzählt: ›Was ist eine Lanze? Das ist eine Waffeder Oberen, eine Stange mit einem armen Teufel an jedem Ende.‹ Und dort, am Ende, siehst du das Weib? Das war die Puffmutter eines fahrenden Heeresbordells, das sie mit der Aufschrift geschmückt hatte: ›Vögel heute, Krieger! Morgen kannst du es vielleicht nicht mehr.‹«
    »Und nur deswegen   …«
    »Eins von ihren Mädchen hatte außerdem noch, wie sich herausstellte, den Tripper. Und das ist dann schon der Paragraph über Diversion und Wehrkraftzersetzung.«
    »Ich habe verstanden, Herr Cranmer.« Jarre straffte sich zu einer Haltung, die er für militärisch hielt. »Aber macht Euch um mich keine Sorgen. Ich bin kein Defätist   …«
    »Einen Scheiß hast du verstanden, und unterbrich mich nicht, denn ich bin noch nicht fertig. Der letzte Gehenkte dort, der schon gründlich stinkt, hat sich weiter nichts zuschulden kommen lassen, als auf das Gerede eines Provokateurs hin auszurufen: ›Recht habt Ihr, Herr, so ist es, genau so, wie zweimal zwei vier ist!‹ Jetzt sag, dass du verstanden hast.«
    »Ich habe verstanden.« Jarre schaute sich verstohlen um. »Ich werde aufpassen. Aber   … Herr Cranmer   … Wie ist das in Wahrheit   …?«
    Der Zwerg schaute sich auch um. »In Wahrheit«, sagte er leise, »ist es so, dass die Heeresgruppe ›Mitte‹ unter Marschall Menno Coehoorn mit rund hunderttausend Mann nach Süden marschiert. In Wahrheit wären sie ohne den Aufstand in Verden schon hier. In Wahrheit wäre es gut, wenn es zu Verhandlungen käme. In Wahrheit haben Temerien und Redanien nicht die Kraft, Coehoorn aufzuhalten. In Wahrheit jedenfalls nicht vor der strategischen Grenze, die der Pontar bildet.«
    »Der Fluss Pontar«, flüsterte Jarre, »liegt nördlich von uns.«
    »Ebendas wollte ich sagen. Aber merk dir: Darüber kein Wort.«
    »Ich werde mich vorsehen. Wenn ich dann in der Einheit bin,muss ich das dort auch? Kann ich dort auch an einen Spitzel geraten?«
    »In einer Linieneinheit? In Frontnähe? Kaum. Die Spitzel sind hinter der Front so eifrig, weil sie Angst haben, selber an die Front zu kommen. Außerdem, wenn sie jeden Soldaten aufhängen wollten, der murrt, schimpft und lästert, wäre keiner mehr zum Kämpfen übrig.

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