Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See
Hufen nur so spritzte. Zwei Adjutanten ergriffen die Zügel, hielten das Ross fest, dessen Maul schaumbedeckt war. Der Bote sprang aus dem Sattel.
»Von wem?«, rief Jan Natalis. »Von wem kommst du?«
»Von Herrn de Ruyter …«, stieß der Bote hervor. »Wir haben die Schwarzen aufgehalten … Aber es gibt große Verluste … Herr de Ruyter bittet um Verstärkung …«
»Es gibt keine Verstärkung«, erwiderte nach kurzem Schweigen der Konnetabel. »Ihr müsst durchhalten. Ihr müsst!«
»Und hier« – Rusty machte ein Gesicht wie ein Sammler, der seine Kollektion vorführt –, »wenn die Damen nur schauen wollen, ein schönes Resultat eines Hiebes in den Bauch … Jemand hat uns ins Handwerk gepfuscht und an dem Unglücklichen eine amateurhafte Laparotomie ausgeführt … Gut, dass man ihn sorgsam getragen hat, es sind keine wichtigeren Organe verloren gegangen … Das heißt, das nehme ich an. Was hältst du davon, Shani? Warum so ein Gesicht, Mädchen? Bisher hast du Männer immer nur von außen gekannt?«
»Die Därme sind verletzt, Herr Rusty.«
»Eine ebenso zutreffende wie offensichtliche Diagnose! Da braucht man nicht einmal hinzusehen, nur zu riechen. Tuch, Iola. Marti, hier ist immer noch zu viel Blut, sei so gut, gib uns noch ein wenig von deiner unschätzbaren Magie. Shani, Klammer. Leg eine Aderklemme an, du siehst doch, dass es läuft. Iola, das Messer.«
»Wer siegt?«, fragte der Operierte plötzlich vollends bei Bewusstsein, wenn auch etwas lallend, und rollte mit den hervorquellenden Augen. »Sagt … wer … siegt?«
»Söhnchen.« Rusty beugte sich über die offene, blutige und pulsierende Bauchhöhle. »Das ist wirklich das Letzte, worum ich mir an deiner Stelle Sorgen machen würde.«
… tobte unterdessen am linken Flügel und im Zentrum der Linie ein erbitterter und blutiger Kampf, hier aber, wenngleich Nilfgaard mit großer Wut und Wucht anrannte, brach sich ihr Angriff an den königlichen Truppen so, wie sich die Meereswellen am Felsen brechen. Denn dort standen vorzügliche Soldaten, die kampferprobten Mariborer, Wyzimer und Dreiberger gepanzerten Banner, und ebenso die entschlossenen temerischen Landsknechte, Berufssöldner, denen Reiterei keine Angst einjagt.
Und so wurde dort gekämpft, wahrlich wie das Meer mit den Felsen des Festlands, solch ein Kampf, bei dem nicht abzusehen ist, wer die Oberhand behalten wird, denn obwohl die Wellen
unablässig gegen den Fels schlagen, nicht schwächer werden, sondern nur zurückweichen, um erneut zuzuschlagen, so steht doch der Fels, wie er stand, ist immer noch inmitten der tosenden Wogen zu sehen.
Anders entwickelte sich die Lage am rechten Flügel des königlichen Heeres.
Wie ein alter Habicht, der weiß, wo er niederstoßen und tödlich zuschlagen muss, so wusste auch Feldmarschall Menno Coehoorn, wo er den Schlag führen musste. Er nahm seine besten Divisionen, die Ulanen der »Deithwen« und die Panzerreiter der »Ard Feainn«, und führte den Schlag gegen die Nahtstelle der Linie oberhalb des Goldenen Teiches, dort, wo die Banner von Brugge standen. Obwohl die Brugger heldenhaft Widerstand leisteten, erwiesen sie sich als schwächer gewappnet, sowohl was die Panzer als auch was den Kampfgeist angeht. Sie hielten dem Nilfgaarder Ansturm nicht stand. Im Galopp eilten zwei Banner der Freikompagnie unter dem alten Condottiere Adam Pangratt zum Entsatz dorthin und hielten Nilfgaard auf, wofür sie einen hohen Blutzoll entrichteten. Doch den an der rechten Flanke stehenden Zwergen vom Freiwilligen Haufen eröffnete sich die entsetzliche Gefahr einer Umzingelung, und dem ganzen königlichen Heer drohte die Schlachtordnung aufzureißen.
Jarre tauchte die Feder ins Tintenfass. Die Enkel im Garten lachten mit hohen Stimmen, es klang wie Glasglöckchen.
Doch Jan Natalis, wachsam wie ein Kranich, erkannte die drohende Gefahr, er verstand augenblicks, was sich zusammenbraute. Und ohne zu zögern sandte er einen Boten mit einem Befehl an Oberst Els …
In all seiner siebzehnjährigen Naivität hatte Kornett Aubry geglaubt, er würde höchstens zehn Minuten brauchen, um auf den rechten Flügel zu gelangen, den Befehl zu überbringen und aufdie Anhöhe zurückzukehren. Auf keinen Fall mehr! Nicht auf Chiquita, einer Stute, schön und flink wie eine Hindin.
Noch ehe er am Goldenen Teich war, erkannte der Kornett zwei Dinge: Dass nicht feststand, wann er auf den rechten Flügel gelangen
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