Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See
Hee! Verdammt! Das Wasser wird kalt!«
»Dann kommt heraus«, sagte Ciri, die zur Tür hereinschaute. »Sie sind schon alle weg.«
»Waaas?«
»Ich sag’s doch. Sie sind weg. Außer uns dreien ist hier keine Menschenseele. Zieht euch an. Nackt seht ihr schrecklich komisch aus.«
Als sie sich anzogen, begannen ihnen die Hände zu zittern. Beiden. Mit größter Mühe kamen sie mit Hefteln, Schnallen und Knöpfen zurecht.
Ciri schwatzte. »Sie sind weggeritten. Einfach weg. Alle, wie sie da waren. Haben alle zusammengeholt, sind auf die Pferde gestiegen und weggeritten. Dass es nur so staubte.«
»Sie haben niemanden zurückgelassen?«
»Reinweg gar keinen.«
»Unbegreiflich«, flüsterte Geralt. »Das ist unbegreiflich.«
Yennefer räusperte sich. »Ist etwas vorgefallen, was das erklären würde?«
»Nein«, erwiderte Ciri rasch. »Nichts.«
Sie log.
Anfangs hatte sie gute Miene zum bösen Spiel gemacht. Aufrecht, mit stolz zurückgeworfenem Kopf und steinernem Gesicht hatte sie die behandschuhten Hände der schwarzen Ritter fortgestoßen, hatte kühn und herausfordernd auf die furchterregenden Visiere ihrer Helme geblickt. Sie berührten sie nicht mehr, zumal sie ein barscher Befehl eines Offiziers davon abhielt, eines breitschultrigen Kerls mit silbernen Tressen und einem Busch weißer Reiherfedern.
Sie ging zum Ausgang, von beiden Seiten eskortiert. Stolz erhobenen Hauptes. Die schweren Stiefel dröhnten, die Kettenpanzer knirschten, Waffen klirrten.
Nach einem Dutzend Schritten blickte sie zum ersten Mal zurück, nach ein paar weiteren Schritten zum zweiten Mal. Ich werde sie ja nie, nie wiedersehen, meldete sich mit entsetzlicher Klarheit ein Gedanke. Weder Geralt noch Yennefer. Niemals.
Diese Erkenntnis wischte auf einen Schlag die Maske des vorgetäuschten Mutes hinweg. Ciris Gesicht verzog sich, die Augen füllten sich mit Tränen, die Nase lief. Das Mädchen kämpfte mit aller Kraft, doch vergeblich. Die Woge von Tränen durchbrach den Damm des Scheins.
Die Nilfgaarder mit den Salamandern auf den Mänteln betrachteten sie schweigend. Und verwundert. Manche hatten sie schon auf der blutbedeckten Treppe gesehen, alle im Gespräch mit dem Kaiser. Die Hexerin mit dem Schwert, die unbesiegte Hexerin, die dem Imperator selbst die Meinung sagte. Und nun wunderten sie sich, dass sie ein schluchzendes und schniefendes Kind sahen.
Sie war sich dessen bewusst. Die Blicke der Nilfgaarder brannten wie Feuer, stachen wie Nadeln. Sie kämpfte, aber ohne Erfolg. Je kräftiger sie das Weinen zurückhielt, umso stärker brach es hervor.
Sie verlangsamte den Schritt, dann blieb sie stehen. Die Eskorte machte ebenfalls Halt. Aber nur für einen Augenblick. Auf einen gebellten Befehl des Offiziers hin packten eiserne Hände sie unter den Achseln und an den Handgelenken. Schluchzend und Tränen schluckend blickte sie ein letztes Mal zurück. Dann wurde sie weggezogen. Sie leistete keinen Widerstand. Doch sie schluchzte immer lauter und immer verzweifelter.
Kaiser Emhyr var Emreis gebot ihnen Halt, jener dunkelhaarige Mann mit dem Gesicht, das in ihr seltsame, undeutliche Erinnerungen weckte. Auf seinen scharfen Befehl hin ließen sie sie los. Ciri schniefte, wischte sich mit dem Ärmel über die Augen. Als sie sah, dass er näher kam, unterdrückte sie das Schluchzen, warf stolz den Kopf zurück. Doch jetzt – das war ihr bewusst – sah das nur noch lächerlich aus.
Emhyr betrachtete sie lange. Wortlos. Dann trat er auf sie zu. Und streckte die Hände aus. Ciri, die auf solche Gesten immer instinktiv reagierte, indem sie zurückwich, tat es diesmal zu ihrer überaus großen Verwunderung nicht. Mit noch größerer Verwunderung stellte sie fest, dass seine Berührung keineswegs unangenehm war.
Er berührte ihre Haare, als zähle er die schneeweißen Strähnen. Er berührte die von der Narbe verunstaltete Wange. Danndrückte er sie an sich, strich ihr über Kopf und Rücken. Und sie, von Weinen geschüttelt, ließ es geschehen, und die Hände hielt sie steif wie eine Vogelscheuche.
»Ein seltsames Ding ist das, die Vorherbestimmung«, hörte sie ihn flüstern. »Leb wohl, Töchterchen.«
»Was hat er gesagt?«
Ciri verzog leicht das Gesicht. »Er hat gesagt: Va faill, luned. In der Älteren Rede: Leb wohl, Mädchen.«
»Ich weiß.« Yennefer nickte. »Was war danach?«
»Danach … Danach ließ er mich los, drehte sich um und ging. Er rief Befehle. Und alle gingen ihrer Wege. Sie gingen an
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