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Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Titel: Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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Hintergrund der makaber aussehenden Kinderstatuen, das ist sie ja. Ciri. Daran besteht keinerlei Zweifel.«
    »Aber« – Condwiramurs wollte partout nicht aufgeben – »dein Gobelin   …«
    »Stellt das Schloss dar, in dem sich das Finale der Legende abspielte.«
    Lange schwiegen sie. Beim Umdrehen raschelten die Kartons.
    »Ich mag die Version der Legende aus dem Schwarzen Buch nicht«, ließ sich Condwiramurs vernehmen. »Sie ist so   … so   …«
    »Hässlich wahrheitsgemäß«, schloss Nimue mit einem Nicken.
     
    Condwiramurs gähnte, legte
Ein halbes Jahrhundert Poesie
beiseite, die vervollständigte und von Professor Everett Denhoff jr. mit einem Nachwort versehene Ausgabe. Sie schob die Kissen auseinander, von der Lese- zur Ruheanordnung. Sie gähnte, streckte sich, löschte die Lampe. Das Zimmer versank in Finsternis, erhellt nur durch Nadeln von Mondlicht, die sich durch die Lücken in den Vorhängen drängten. Was will ich tun, überlegte die Adeptin, während sie sich auf dem Laken drehte. Mich dem Zufall anvertrauen? Oder vor Anker gehen?
    Nach einem Weilchen entschied sie sich für Letzteres.
    Es gab da so einen unklaren, wiederkehrenden Traum, der sich nicht zu Ende träumen ließ, zerstob, sich zwischen anderen Träumen verlor, wie ein dünner Schussfaden im Muster eines bunten Tuches untergeht. Ein Traum, der immer wieder ausdem Gedächtnis schwand und dennoch hartnäckig darin verharrte.
    Sie schlief augenblicklich ein, der Traum strömte sofort auf sie ein. Sobald sie die Augen geschlossen hatte.
    Ein Nachthimmel, wolkenlos, hell vom Mond und den Sternen. Eine Anhöhe, an ihren Hängen Weinstöcke, von Schnee überpudert. Der schwarze und kantige Umriss eines Gebäudes: einer Mauer mit Zinnen, einer Säule, eines einsamen Eckturms.
    Zwei Reiter. Beide reiten in den leeren Raum zwischen den Mauern, beide sitzen ab, beide gehen durch das Portal. Doch in die am Boden gähnende Öffnung des Verlieses geht nur einer.
    Der, dessen Haare vollkommen weiß sind.
    Condwiramurs seufzte im Traum, warf sich auf dem Bett herum.
    Der Weißhaarige geht die Treppe hinab, tief, tief in den Keller. Er geht durch dunkle Korridore, erhellt sie, indem er eine Zeitlang die in eisernen Halterungen steckenden Fackeln anzündet. Der Lichtschein der Fackeln tanzt mit gespenstischen Schatten an den Wänden und Gewölben.
    Korridore, Treppen, wieder Korridore. Das Verlies, eine große Krypta, an den Wänden Fässer. Schutt, zerbröckelte Ziegel. Dann ein Gang, der sich verzweigt. In beiden Zweigen Dunkelheit. Der Weißhaarige zündet wieder eine Fackel an. Zieht das Schwert aus der Scheide auf dem Rücken. Er zögert, weiß nicht, welchen Zweig er nehmen soll. Schließlich entscheidet er sich für den rechten. Der ist sehr dunkel, steil und schuttbedeckt. Condwiramurs stöhnt im Schlaf, Angst erfasst sie. Sie weiß, dass der Weg, den der Weißhaarige gewählt hat, zur Gefahr führt.
    Sie weiß zugleich, dass der Weißhaarige die Gefahr sucht.
    Denn das ist sein Beruf.
    Die Adeptin wirft sich im Bett hin und her, stöhnt. Sie ist Träumerin, sie träumt, befindet sich in der oneiroskopischenTrance. Pass auf, will sie rufen, obwohl sie weiß, dass es ihr nicht gelingen wird. Pass auf, schau dich um!
    Sieh dich vor, Hexer!
    Das Ungeheuer griff aus der Dunkelheit an, aus dem Hinterhalt, leise und bösartig. Es materialisierte sich plötzlich inmitten der Finsternis wie eine ausbrechende Flamme. Wie eine Flammenzunge.

 
    Wenn sich am frühen Tag der Sperber regt,
    von Lust erfüllt zu edelem Beginnen,
    die Drossel schon die Flügel schlägt,
    dem Weibchen folgend, um es zu gewinnen,
    dann bringe ich mit heiß entflammten Sinnen
    Euch froh dies meiner Liebe Angebind.
    Schlagt Amors Buch auf und dann lest darinnen,
    und so soll’s sein, wenn wir beisammen sind.
     
    François Villon
     
    Obwohl er es so eilig hatte, so drängte, uns so antrieb und solch ein Spektakel machte, blieb der Hexer den ganzen Winter lang in Toussaint. Was waren die Gründe? Darüber werde ich nicht schreiben. Es gab sie, und basta, da gibt es nichts zu bereden. Die jedoch, die den Hexer gern verurteilen würden, erinnere ich daran, dass die Liebe nicht nur einen Namen hat und dass sie nicht richten sollen, auf dass sie selbst nicht gerichtet werden.
     
    Rittersporn,
    Ein halbes Jahrhundert Poesie
     
    Those were the days of good hunting and good sleeping.
     
    Rudyard Kipling

Das dritte Kapitel
    Das Ungeheuer griff aus der Dunkelheit an, aus dem

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