Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See
sagte Cahir ziemlich sarkastisch. »In einem von den wenigen Augenblicken, in denen er ansprechbar ist. Zwischen dem Bett der Zauberin und der Jagd auf Ungeheuer. Zwischen den beiden Beschäftigungen, denen er seit zwei Monaten nachgeht, um zu vergessen.«
»Du selber«, fauchte Angoulême, »bist hauptsächlich im Park ansprechbar, wenn du mit den Fräuleins Baronessen Reifenfangen spielst. Ach, was soll’s, ein verwunschener Ort ist das, dieses ganze Toussaint. Regis verschwindet nächtelang irgendwo, die Tante hat den pockennarbigen Baron …«
»Halt den Mund, du Rotznase! Und nenn mich nicht Tante!«
»Na, na!«, warf Regis versöhnlich ein. »Mädchen, gebt Ruhe. Milva, Angoulême. Es soll Eintracht herrschen. Eintracht baut auf, Zwietracht zerstört. So pflegt es Ihre Gnaden, Rittersporns Fürstin, zu sagen, die Herrin dieses Landes, Schlosses, dieses Brotes, dieses Schmalzes und dieser Gurken. Soll ich noch jemandem nachschenken?«
Milva seufzte schwer. »Zu lange sitzen wir schon hier! Zu lange, sage ich euch, sitzen wir träge hier herum. Wir verblöden davon.«
»Gut gesagt«, stellte Cahir fest. »Sehr gut gesagt.«
Geralt zog sich vorsichtig zurück. Lautlos. Wie eine Fledermaus.
Schnell und lautlos ging er durch die Korridore. Niemand sah und hörte ihn. Weder die Wache noch die Lakaien oder die Pagen. Die Kerzenflammen zitterten nicht einmal, als er an den Kandelabern vorbeiging. Die Ratten hörten ihn, hoben die schnurrbärtigen Schnauzen, machten Männchen. Doch sie hatten keine Angst. Sie kannten ihn.
Er kam oft hier entlang.
Im Alkoven roch es verwunschen und verzaubert, nach Ambra, Rosen und Frauenschlaf. Doch Fringilla schlief nicht.
Sie setzte sich im Bett auf, warf die Decke zurück, verzauberte ihn mit dem Anblick und ergriff Besitz von ihm.
»Endlich bist du da«, sagte sie und streckte sich. »Du vernachlässigst mich schrecklich, Hexer. Zieh dich aus und komm schnell her. Aber sehr, sehr schnell.«
Schnell und lautlos ging sie durch die Korridore. Niemand sah und hörte sie. Weder die Wache, die träge in der Wachstube tratschte, noch die dösenden Lakaien oder die Pagen. Die Kerzenflammen zitterten nicht einmal, als sie an den Kandelabern vorbeiging. Die Ratten hörten sie, hoben die schnurrbärtigen Schnauzen, machten Männchen, folgten ihr mit dem Blick aus schwarzen Äuglein. Doch sie hatten keine Angst. Sie kannten sie.
Sie kam oft hier entlang.
Es gab im Palast Beauclair einen Korridor und an seinem Ende ein Gemach, von dessen Existenz niemand wusste. Weder die gegenwärtige Schlossherrin, die Fürstin Anarietta, noch die erste Herrin des Schlosses, ihre Urururgroßmutter, die Fürstin Ademarta. Weder der Architekt, der das Gebäude von Grund auf umgebaut hatte, der berühmte Peter Faramond, noch die nach Faramonds Plänen und Anweisungen arbeitenden Maurermeister. Ja, nicht einmal der Kämmerer Le Goff wusste von der Existenz des Korridors und des Gemachs, obwohl man meinte, er wisse über Beauclair alles.
Korridor und Gemach, von einer starken Illusion geschützt, waren ausschließlich den ursprünglichen Erbauern des Palasts bekannt gewesen, den Elfen. Und später, als es hier keine Elfen mehr gab und Toussaint ein Fürstentum geworden war, wusste davon eine kleine Gruppe von Zauberern, die mit dem Fürstenhaus verbunden waren. Darunter Artorius Vigo, der Meister der magischen Arkana, ein großer Spezialist für Illusionen. Und seine junge Nichte, Fringilla, die für Illusionen besonders begabt war.
Nachdem sie schnell und lautlos durch die Korridore im Palast Beauclair gegangen war, blieb Fringilla Vigo vor einem Stück Wand zwischen zwei Säulen stehen, die mit Akanthusblättern geschmückt waren. Ein leise gesprochener Spruch und eine rasche Geste bewirkten, dass die Wand – die eine Illusion war – verschwand und einen scheinbar blinden Korridor freigab. Am Ende des Korridors befand sich jedoch eine durch Illusion getarnte Tür. Und hinter dieser Tür ein dunkles Gemach.
Drinnen setzte Fringilla, ohne Zeit zu verlieren, den Telekommunikator in Betrieb. Der ovale Spiegel trübte sich ein, dann flammte er auf, erhellte den Raum, ließ aus dem Dunkel die altertümlichen, staubschweren Wandbehänge hervortreten. Im Spiegel erschienen ein großer, in subtiles
Chiaroscuro
gehüllter Saal, ein runder Tisch und die an diesem Tisch sitzenden Frauen. Ihrer neun.
»Wir hören, Fräulein Vigo«, sagte Philippa Eilhart. »Was gibt es Neues?«
»Leider
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