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Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Titel: Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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um seine Ohren geschlossen. Er warf die ihn störende
Geschichte der Kriege
ab, ebenso das
Magazin sämtlicher Kenntnisse, so für ein glückliches Leben vonnöten sind
. Währender ungeduldig mit den Knöpfchen und Ösen am Oberteil des Kleides kämpfte, wanderte er von Süden nach Norden, wobei er unwillkürlich die Aufschriften auf Einbänden, Buchrücken, Frontispizen und Titelseiten las. Unter Fringillas Taille:
Der vollkommene Landmann
. Unter ihrer Achselhöhle, unweit der kleinen, schönen, keck aufragenden Brust:
Von unnützen und aufsässigen Schultheißen
. Unter dem Ellenbogen:
Oeconomia, oder die einfache Darlegung, wie Reichtümer erzeugt, verteilt und verbraucht werden
.
    Als er
Betrachtungen über den unvermeidlichen Tod
las, hatte er seinen Mund schon an ihrem Hals und die Hände in der Nähe der
Schultheiße
… Fringilla stieß einen schwer zu klassifizierenden Laut aus: einen Schrei, ein Stöhnen, einen Seufzer.
    Die Regale erzitterten, die Bücherstapel wankten und stürzten ein wie Felsen bei einem heftigen Erdbeben. Fringilla schrie auf. Krachend stürzte von einem Bord ein weißer Rabe, die Erstausgabe
De larvis scenicis et figuris comicis
, ihr nach stürzte die
Sammlung allgemeiner Kommandos für die Reiterei
und riss die mit schönen Stichen verzierte
Heraldik
des Jan von Attre mit sich. Der Hexer stöhnte, stieß mit einem Tritt des sich streckenden Beines weitere Bände um. Fringilla schrie abermals, laut und anhaltend, riss mit dem Absatz die
Überlegungen oder Meditationen für alle Tage des ganzen Jahres
zu Boden, ein interessantes anonymes Werk, das wer weiß wie auf Geralts Rücken geraten war. Geralt zuckte zusammen, las über ihrer Schulter und erfuhr nolens volens, dass die
Betrachtungen
ein Doktor Albertus Rivus geschrieben, die Academia Cintrensis sie verlegt und Meister Johann Froben junior sie im zweiten Jahr der Herrschaft Sr. M.   König Corbetts gedruckt hatte.
    Es herrschte Stille, nur vom Rascheln nachrutschender Bücher und umschlagender Seiten unterbrochen.
    Was soll ich machen, dachte Fringilla, während sie mit trägen Handbewegungen Geralts Seite und die harte Ecke des
Versuchs über die Natur der Dinge
berührte. Sollte sie den Vorschlag machen?Oder warten, bis er es tat? Wenn er sie nur nicht für leichtfertig und schamlos hielt   …
    Und was, wenn er es nicht vorschlug?
    »Lass uns gehen und irgendwo ein Bett suchen«, schlug der Hexer etwas heiser vor. »Das ist doch keine Art, Bücher so zu behandeln.«
     
    Damals haben wir ein Bett gefunden, dachte Geralt, während er Plötze die Parkallee entlanggaloppieren ließ. Wir fanden ein Bett in ihren Zimmern, in ihrem Alkoven. Wir haben uns wie wahnsinnig geliebt, unersättlich, gierig, wie nach Jahren der Enthaltsamkeit, wie auf Vorrat, als ob uns wieder Enthaltsamkeit drohte.
    Wir haben einander viele Dinge gesagt. Sehr triviale Wahrheiten. Sehr schöne Lügen. Doch diese Lügen, so erlogen sie waren, sollten doch nicht der Täuschung dienen.
    Vom Galopp beflügelt, lenkte er Plötze geradewegs auf ein schneebedecktes Rosenbeet zu und zwang die Stute zum Sprung.
    Wir haben uns geliebt. Und geredet. Und unsere Lügen wurden immer schöner. Und immer verlogener.
    Zwei Monate. Von Oktober bis Yule.
    Zwei Monate einer rasenden, gierigen, heftigen Liebe.
    Plötzes Hufeisen klapperten über die Steinplatten auf dem Hof des Schlosses Beauclair.
     
    Schnell und lautlos ging er durch die Korridore. Niemand sah und hörte ihn. Weder die Wache mit den Hellebarden, die sich in der Wachstube die Langeweile mit Gerede und Klatsch vertrieb, noch die dösenden Lakaien und Pagen. Die Kerzenflammen zitterten nicht einmal, als er an den Kandelabern vorbeiging.
    Er war nahe bei der Palastküche. Doch er trat nicht ein, schloss sich nicht der Gesellschaft an, die drinnen ein Fässchenund etwas Schmackhaftes niedermachte. Er blieb im Schatten stehen, lauschte. Es sprach Angoulême.
    »Das ist irgendein verwunschener Scheißort, dieses ganze Toussaint. Irgendein Zauber liegt über dem ganzen Tal. Und über diesem Schloss erst recht. Ich habe mich über Rittersporn gewundert, über den Hexer, und jetzt wird mir selber irgendwie ganz neblig, und alles presst sich zusammen   … Verdammt, ich habe mich dabei erwischt, wie ich   … Ach, was werd’ ich euch erzählen. Ich sage euch, lasst uns hier wegreiten. So schnell wie möglich wegreiten.«
    »Sag das Geralt«, erwiderte Milva. »Ihm musst du das sagen.«
    »Ja, red nur mit ihm«,

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