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Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Titel: Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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Etwas ist nicht so, wie es sein sollte.«
    Fringilla spürte, wie ihr das Blut aus dem Herzen in den Bauch sackte. Sie wusste schon, was nicht so war, wie es sein sollte.
    »Frau Glevissig«, berichtete wieder Assire, »öffnet den direkten Kommunikator.«
    Der Raum zwischen den Säulen des Saales flammte plötzlich auf, in dem sich materialisierenden Oval erblickten sie Sabrina Glevissig in Männerkleidung, die Haare von einem Chiffonschal aus der Stirn zurückgehalten, das Gesicht mit Streifen von Tarnfarbe geschwärzt. Hinter dem Rücken der Zauberin sah man schmutzige Steinwände, daran Fetzen von Lumpen, die einst Wandteppiche gewesen waren.
    Sabrina streckte die Hand zu ihnen hin aus, an ihrem Handschuh blieben lange Streifen von Spinnweben hängen.
    »Nur das«, sagte sie und gestikulierte heftig, »gibt es hier reichlich! Nur das! Zum Teufel, was für eine Dummheit   … Was für eine Blamage   …«
    »Zusammenhängender, Sabrina!«
    »Was, zusammenhängender?«, schrie die Magierin aus Kaedwen. »Was soll hier zusammenhängen? Seht ihr nicht? Das ist das Schloss Rhys-Rhun! Es ist leer! Leer und verfallen! Das ist eine verdammte leere Ruine! Hier ist nichts! Nichts!«
    Hinter Sabrinas Rücken hervor tauchte Keira Metz auf, die mit der Tarnbemalung auf dem Gesicht wie der reinste Teufel aussah.
    »In diesem Schloss«, bestätigte sie ruhig, »ist und war niemand. Seit ungefähr fünfzig Jahren. Seit fünfzig Jahren war hier keine lebendige Seele, nicht gerechnet Spinnen, Ratten und Fledermäuse. Wir haben den ganz falschen Ort überfallen.«
    »Habt ihr euch vergewissert, dass das keine Illusion ist?«
    »Hältst du uns für Kinder, Philippa?«
    »Passt auf, beide.« Philippa Eilhart fuhr sich nervös mit den Fingern durchs Haar. »Den Söldnerinnen und Adeptinnen sagt ihr, dass das eine Übung war. Bezahlt sie und kehrt zurück. Kehrt augenblicklich zurück. Und macht gute Miene dabei, hört ihr? Sehr gute Miene!«
    Das Oval des Kommunikators erlosch. Es blieb nur das Bild auf dem Schirm an der Wand. Das Schloss Rhys-Rhun vor dem schwarzen, von Sternen funkelnden Himmel. Und der See, in dem sich die Sterne spiegelten.
    Fringilla Vigo schaute auf die Tischplatte. Sie fühlte, dass ihr das pulsierende Blut jeden Moment die Wangen zum Platzen bringen würde.
    »Ich   … wirklich«, sagte sie schließlich, als sie das Schweigen nicht mehr ertrug, das im Säulensaal des Schlosses Montecalvo herrschte. »Ich   … verstehe wirklich nicht   …«
    »Ich schon«, sagte Triss Merigold.
    »Dieses Schloss   …«, sagte Philippa nachdenklich, ohne dieKolleginnen irgend zu beachten. »Dieses Schloss   … Rhys-Rhun   … Man wird es zerstören müssen. Vollständig in Schutt und Asche legen. Und wenn über diese ganze Affäre Legenden und Überlieferungen aufkommen, wird man sie einer sorgfältigen Zensur unterwerfen müssen. Verstehen die Damen, was ich meine?«
    »Sehr gut.« Francesca Findabair, die bis dahin geschwiegen hatte, nickte. Ida Emean, die ebenfalls schwieg, erlaubte sich ein recht vielsagendes Schnauben.
    »Ich   …« Fringilla Vigo war immer noch wie betäubt. »Ich verstehe wirklich nicht   … wie das passieren konnte   …«
    »Ach«, sagte nach sehr langem Schweigen Sheala de Tancarville. »Das ist weiter nichts, Fräulein Vigo. Niemand ist vollkommen.«
    Philippa schnaubte leise. Assire var Anahid seufzte und hob den Blick zur Decke.
    »Letzten Endes«, fügte Sheala hinzu und schürzte die Lippen, »hat das jede von uns schon irgendwann erlebt. Jede von uns, wie wir hier sitzen, hat irgendwann einmal ein Mann betrogen, ausgenutzt und zum Gespött gemacht.«

 
    »Ich liebe dich, mich reizt deine schöne Gestalt;
    Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt.«
    Mein Vater, mein Vater, jetzt faßt er mich an!
    Erlkönig hat mir ein Leids getan.
     
    Johann Wolfgang von Goethe
     
    Alles ist schon einmal dagewesen, alles hat sich irgendwann einmal ereignet. Und alles ist schon einmal beschrieben worden.
     
    Vysogota von Corvo

Das fünfte Kapitel
    Der Mittag breitete sich mit Hitze und Schwüle über den Wald, und der Spiegel des Sees, bis vor kurzem noch dunkel wie Jadeit, flammte golden auf, funkelte von Reflexen. Ciri musste die Augen mit der Hand abschirmen, die vom Wasser zurückgeworfene Helle blendete, schmerzte in Pupillen und Schläfen.
    Sie ritt durch das Ufergestrüpp, trieb Kelpie in den See, so tief, dass das Wasser bis über die Knie der Stute reichte. Das Wasser war so

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