Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See
denselben Kategorien!«
»Du wirst zu ihnen zurückkehren. Nach einiger Zeit.«
»Ich will es sofort!«, schrie sie. »Nicht nach einiger Zeit! Denn die Zeit hier ist die Ewigkeit! Mit welchem Recht haltet ihr mich hier gefangen? Warum kann ich nicht von hier fortgehen? Ich bin selbst hierhergekommen! Aus eigenem Willen! Ihr habt keinerlei Recht auf mich!«
»Du bist selbst gekommen«, bestätigte er ruhig. »Aber nicht aus eigenem Willen. Dich hat die Vorsehung hierher geführt, wir haben ihr nur ein wenig geholfen. Denn man wartet hier schon lange auf dich. Sehr lange. Sogar nach unserer Rechnung.«
»Ich verstehe nichts von alledem.«
Er beachtete sie nicht. »Wir haben lange gewartet. Und nur eines gefürchtet: Ob es dir gelingen würde, hier hereinzukommen. Es ist dir gelungen. Du hast dein Blut bestätigt, deine Abstammung. Und das heißt, dass dein Platz hier ist, nicht unter den Dh’oine. Du bist die Tochter von Lara Dorren aep Shiadhal.«
»Ich bin Pavettas Tochter! Ich weiß nicht einmal, wer diese Lara ist!«
Er fuhr empört auf, aber sehr leicht, fast unmerklich. »In diesem Falle«, sagte er, »wird es am besten sein, wenn ich dir erkläre, wer diese Lara ist. Da die Zeit drängt, würde ich dich zurErklärung am liebsten auf eine Reise mitnehmen. Aber du hast ja aus dummer Angeberei die Stute beinahe zuschanden geritten …«
»Zuschanden? Ha! Du weißt noch nicht, was diese Stute alles aushält. Und wohin sollen wir reiten?«
»Das, wenn du erlaubst, werde ich dir ebenfalls unterwegs erklären.«
Ciri zügelte die schnaubende Kelpie; sie wusste, dass der irrsinnige Galopp keinen Sinn hatte und zu nichts nütze war.
Avallac’h hatte nicht gelogen. Hier, auf freiem Feld, auf Wiesen und Heiden, aus denen Menhire herausragten, wirkte dieselbe Kraft wie beim Tor Zireael. Man konnte versuchen, Hals über Kopf in irgendeine Richtung zu reiten, nach ein paar hundert Schritt bewirkte eine unsichtbare Kraft, dass man im Kreis ritt.
Ciri tätschelte der schnaubenden Kelpie den Hals, schaute zu der langsam reitenden Gruppe von Elfen. Vor einem Augenblick, als Avallac’h ihr endlich gesagt hatte, was sie von ihr wollten, war sie losgaloppiert, um vor ihnen zu fliehen, sie so weit wie möglich hinter sich zu lassen, sie und ihre dreiste, unglaubliche Forderung.
Jetzt aber hatte sie sie wieder vor sich. In der Entfernung von ein paar hundert Schritten.
Avallac’h hatte nicht gelogen. Flucht war unmöglich.
Das einzige Gute an dem Galopp war, dass er ihr einen kühlen Kopf verschafft hatte, die Wut gedämpft. Sie war schon viel ruhiger. Und dennoch zitterte sie geradezu vor Zorn.
Ich habe mir vielleicht etwas eingebrockt, dachte sie. Wozu bin ich in diesen Turm gegangen?
Sie erschauderte, als sie sich erinnerte. Als sie an Bonhart dachte, wie er auf dem braunen Hengst, dem Schaum vorm Maul stand, übers Eis auf sie zuritt.
Sie erschauderte noch stärker. Und beruhigte sich.
Ich lebe, dachte sie, während sie sich umschaute. Das ist noch nicht das Ende des Kampfes. Den Kampf beendet der Tod, alles andere unterbricht ihn nur. Das hat man mir in Kaer Morhen beigebracht.
Sie trieb Kelpie im Schritt voran, dann, als sie sah, wie die Stute munter den Kopf hob, im Trab. Sie ritt an einem Spalier von Menhiren entlang. Gräser und Heidekraut reichten bis zu den Steigbügeln.
Recht bald hatte sie Avallac’h und die drei Elfen eingeholt. Der Wissende schaute sie mit leichtem Lächeln aus seinen aquamarinblauen Augen an.
»Bitte, Avallac’h«, krächzte sie. »Sag mir, dass das ein makabrer Scherz war.«
Über sein Gesicht huschte etwas wie ein Schatten. »So pflege ich nicht zu scherzen«, sagte er. »Und da du es für einen Scherz gehalten hast, erlaube ich mir, im vollsten Ernst zu wiederholen: Wir wollen dein Kind haben, Schwalbe, Tochter von Lara Dorren. Erst wenn du es zur Welt bringst, werden wir dir erlauben, von hier in deine Welt zurückzukehren. Die Wahl, versteht sich, liegt bei dir. Ich nehme an, deine wahnsinnige Kavalkade hat dir geholfen, eine Entscheidung zu treffen. Wie lautet deine Antwort?«
»Sie lautet: nein«, erwiderte sie fest. »Kategorisch und absolut nein. Ich bin nicht einverstanden. Und basta.«
»Schade.« Er zuckte mit den Schultern. »Ich gestehe, ich bin enttäuscht. Aber nun ja, es ist deine Entscheidung.«
»Wie kann man überhaupt so etwas verlangen?«, schrie sie mit bebender Stimme. »Wie kannst du es überhaupt wagen? Mit welchem Recht?«
Er schaute
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