Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See
versuchte fast sofort dasselbe Kunststück, indem sie mit beiden Füßen auf eine Bordwand sprang. Er wankte, hielt aber das Gleichgewicht. Und stürzte sich mit dem Schwert auf sie. Sie parierte den Hieb, indem sie sich instinktiv deckte, denn sie sah kaum etwas. Sie revanchierte sich mit einem kurzen Schlag von unten. Eredin parierte, schlug zu, Ciri lenkte den Hieb ab. Von den Klingen sprühten Funkengarben wie von einem Feuerzeug.
Noch einmal brachte er das Boot zum Schwanken, kräftig, dass es fast kenterte. Ciri tänzelte, balancierte mit ausgestreckten Armen. Er wich zum Bug zurück, senkte das Schwert.
»Wo hast du das gelernt, Schwalbe?«
»Du würdest staunen.«
»Wohl kaum. Bist du selbst darauf gekommen, dass man die Barriere überwinden kann, indem man den Fluss hinabfährt, oder hat dir das jemand verraten?«
»Unwichtig.«
»Es ist wichtig. Und wir werden es feststellen. Dazu gibt es Mittel. Und jetzt wirf das Schwert fort, und wir kehren zurück.«
»Von wegen.«
»Wir kehren zurück, Zireael. Auberon wartet. Heute Nacht, dafür verbürge ich mich, wird er bei Kräften und voll Tatendrang sein.«
»Von wegen«, wiederholte sie. »Er hat zu viel von diesem Kräftigungsmittel genommen. Von dem, das du ihm gegeben hast. Aber vielleicht war das gar kein Kräftigungsmittel?«
»Wovon sprichst du?«
»Er ist gestorben.«
Er erholte sich sofort von der Überraschung, stürzte sich plötzlich auf sie, während er das Boot schwanken machte. Balancierend tauschten sie ein paar Schwerthiebe, das Wasser trug den vollen Klang des Stahls davon.
Ein Blitz erhellte die Nacht. Über ihren Köpfen glitt eine Brücke hinweg. Eine der letzten Brücken von Tir ná Lia. Oder vielleicht die letzte?
»Dir ist gewiss klar, Schwalbe«, sagte er heiser, »dass du nur das Unvermeidliche hinauszögerst. Ich kann nicht zulassen, dass du von hier fortgehst.«
»Warum? Auberon ist tot. Und ich bin ja niemand und bedeute nichts. Das hast du mir selbst gesagt.«
»Weil es die Wahrheit ist.« Er hob das Schwert. »Du bedeutest nichts. Eine winzige Motte, die man zwischen den Fingern zu glänzendem Staub zerreiben kann und die, wenn man es zulässt, ein Loch in ein wertvolles Gewebe fressen kann. Ein Körnchen Pfeffer, unbedeutend klein, aber wenn man versehentlich daraufbeißt, verdirbt es die erlesenste Speise, zwingt einen, zu spucken, wo man genießen wollte. Das bist du. Ein Nichts. Ein lästiges Nichts.«
Ein Blitz. Bei seinem Licht sah Ciri, was sie sehen wollte. Der Elf hob das Schwert, hieb damit durch die Luft, sprang auf eine Bank des Bootes. Er hatte den Vorteil der Höhe. Das nächste Gefecht musste er gewinnen.
»Du hättest nicht gegen mich die Waffe ziehen sollen, Zireael. Jetzt ist es schon zu spät. Ich werde dir das nicht verzeihen. Ich werde dich nicht töten, o nein. Aber ein paar Wochen im Bett, in Verbänden, werden dir gewiss guttun.«
»Warte. Erst will ich dir etwas sagen. Dir ein bestimmtes Geheimnis verraten.«
»Was kannst du mir schon sagen?«, schnaubte er. »Was könntest du mir verraten, was ich nicht schon weiß? Welche Wahrheit kannst du mir offenbaren?«
»Die, dass du nicht unter die Brücke passt.«
Er konnte nicht mehr reagieren, er schlug mit dem Hinterkopf gegen die Brücke, stürzte nach vorn und verlor dabei völlig das Gleichgewicht. Ciri hätte ihn einfach aus dem Boot stoßen können, sie fürchtete jedoch, dass das nicht genügen, dass er die Verfolgung nicht aufgeben würde. Außerdem war er es, der – vorsätzlich oder nicht – den Erlkönig getötet hatte. Und dafür verdiente er Schmerz.
Sie versetzte ihm einen kurzen Hieb in den Schenkel, gleich unter dem Ringpanzer. Er schrie nicht einmal. Er fiel über Bord, platschte ins Wasser, das sich über ihm schloss.
Sie drehte sich um, schaute. Es dauerte lange, bis er auftauchte. Ehe er sich auf eine in den Fluss ragende Marmortreppe zog. Er blieb reglos liegen, Wasser und Blut rannen von ihm herab.
»Das wird dir guttun«, murmelte sie, »ein paar Wochen im Bett und in Verbänden.«
Sie fasste ihre Stake, stieß sich kräftig ab. Der Fluss Easnadh wurde immer reißender, das Boot fuhr schneller. Bald blieben die letzten Gebäude von Tir ná Lia hinter ihr.
Sie blickte nicht zurück.
Erst wurde es sehr dunkel, denn das Boot kam in einen alten Wald, zwischen Bäume, deren Kronen sich über dem Wasser berührten, ein Gewölbe bildeten. Dann wurde es heller, der Wald war zu Ende, an beiden Ufern erstreckten sich
Weitere Kostenlose Bücher