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Die Darwin-Kinder

Die Darwin-Kinder

Titel: Die Darwin-Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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sie es je herausfinden, wenn die Menschen stets wie Kletten an ihnen hingen?
    »Zeit, erwachsen zu werden«, bemerkte Will.
    »Du meine Güte, ihr seid doch noch so jung«, warf Mrs.
    Hayden mit verträumter Stimme ein. Sie fuhr zwar geradeaus und sicher, aber ihre Stimme klang seltsam. Stella war klar, dass sie bald gemeinsam etwas unternehmen mussten, denn es war nicht vorherzusehen, welche Richtung Mrs. Hayden einschlagen würde.
    »Ich bin erst fünfzehn«, sagte Stella. In Wirklichkeit hatte sie ihren fünfzehnten Geburtstag noch gar nicht gefeiert, aber sie fügte ihrem Alter stets die Zeit hinzu, in der ihre Mutter den Embryo des Vorstadiums ausgetragen hatte.
    »Da soll ein Mann unserer Art leben, der schon über sechzig ist«, sagte Will.
    »Unmöglich«, entgegnete Stella.

    »Das erzählt man sich aber. Er stammt aus einem südlichen Land, aus Georgien. Oder Russland. Die wussten es nicht genau.«
    »Weißt du, wo dieser Ort liegt?«
    Will schlug sich gegen den Kopf. »Sie haben uns eine Karte gezeigt, ehe das Lager niedergebrannt wurde.«
    »Gibt’s den Ort wirklich?«
    Das konnte Will auch nicht sagen. »Ich glaube schon! Ich hoffe es jedenfalls. «
    Stella schloss die Augen. Sie spürte die Wärme hinter den Lidern, die Sonne, die über ihr Gesicht wanderte, den unbestimmten rötlichen Schimmer. Und tief innen merkte sie, wie all ihre Sinne erwachten und ihr ganzer Körper sich nach diesem Ort sehnte. Wie sie sich danach sehnte, unter Ihresgleichen zu leben, den eigenen Weg zu finden und all das zu lernen, was man – umgeben von Menschen, die einen hassten – zum Überleben brauchte…
    Das kam ihr wie ein unglaubliches Abenteuer vor und wert, ein so großes Risiko einzugehen.
    »Es ist genau das, was du dir immer gewünscht hast, das weiß ich«, sagte Will.
    »Wie kann ich wissen, ob du nicht auch mich einfach manipulierst?« Ohne dass es ihr selbst bewusst war, kommentierten ihre Wangenmuster das hervorgehobene Wort, das so falsch klang, so menschenähnlich, so undifferenziert.
    »Hör auf deine innere Stimme«, sagte Will.
    »Hab ich ja getan«, erwiderte Stella in leichtem Jammerton, sodass Mrs. Hayden den Kopf wandte.
    »Mir geht’s gut«, erklärte Stella und verschränkte die Arme eng vor der Brust. Als Mrs. Hayden den Wagen wieder auf die gerade Spur lenkte, quietschten die Reifen.
    Stella umklammerte die Sitzlehne. »Ich schwitze wie ein Schwein«, teilte sie Will kichernd mit.

    »Ich auch.« Will lächelte verschlagen.
    Sie hatte noch eine letzte Sache auf dem Herzen. »Was ist mit Sex?«, fragte sie so leise, dass Will sie nicht hörte und sie die Worte wiederholen musste.
    »Das weißt du nicht? Die Menschen können uns zwar vergewaltigen, aber wir vergewaltigen einander nicht. So läuft das einfach nicht.«
    »Was, wenn’s trotzdem passiert und wir nicht wissen, was wir tun oder wie wir Schwierigkeiten aus dem Weg gehen sollen?«
    »Das weiß ich auch nicht, weiß es überhaupt jemand? Aber eines weiß ich genau: Bei uns passiert das erst, wenn es in Ordnung geht. Und das tut es jetzt noch nicht.«
    Das war ehrlich genug. Sie spürte, dass ihre Unabhängigkeit wiederhergestellt war und alle Antworten auf dieselbe Entscheidung hinausliefen.
    Sie war stark und wusste, was sie konnte.
    Also konzentrierte sie sich darauf, Fieberdüfte zu produzieren. Für Mrs. Hayden.
    »Huch«, machte Will und wedelte mit der Hand durch die Luft. »Echt stark, Lady.«
    »Ich bin eine Frau! Ich bin stark«, sang Stella leise, worauf beide kicherten. Sie beugte sich vor. »Würden Sie uns bitte nach Kalifornien fahren?«
    »Wir müssen erst anhalten und tanken. Ich hab nur wenig Geld dabei.«
    »Das wird schon reichen«, sagte Will.
    »Brauchst du das Buch noch?«, fragte Stella. Es war ein vergilbtes, eselohriges und inzwischen sehr dünnes Exemplar von Howard Fasts Spartacus.
    »Kann sein, keine Ahnung.«
    »Hast du das auch in den Wäldern gelernt?«

    Will schüttelte den Kopf. »Das hab ich selbst erfunden. Es bleibt uns ja nichts anderes übrig, als schlau zu sein. Die wollten uns nach Sandia schaffen und uns alle umbringen. Wir müssen selbstständig denken.«

    37
    Maryland

    Das Taxi setzte Kaye und Marge Cross vor einem einstöckigen Backsteinhaus ab, das an einer freundlichen, hier und da von Unkraut überwucherten Straße in Randallstown, Maryland lag.
    Das Gras im Vorgarten war etwa dreißig Zentimeter hoch und hatte sich längst strohgelb verfärbt. Ein großer alter Buick aus dem letzten

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