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Die Datenfresser

Titel: Die Datenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constanze Kurz
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zusammenstellen und dem willigen Nutzer – ausgelöst durch die Beobachtung der vorherigen Suchbegriffe und der Positionsänderung des Mobiltelefons – zu geeigneter Zeit mitteilen. Nach nur wenigen Jahren der kontinuierlichen Verbesserung durch die Beobachtung des aus den Informationen resultierenden Nutzerverhaltens kann ein solches Assistenzsystem tatsächlich eine ganz neue Qualität erreichen. Es wird sich anfühlen wie eine gute Fee, die einen unauffällig umsorgt, immer die gerade passenden Informationen zur Hand hat und die Wünsche erfüllt, fast ehe sie einem in den Sinn kommen. »Unser Ziel ist, daß Sie eine Frage stellen, und Google gibt Ihnen die eine und immer richtige Antwort«, sagt Eric Schmidt. Nur daß diese Antwort nicht ausschließlich vom eigenen Wohl getrieben sein wird, sondern von Googles Werbekunden. Nirgendwo läßt sich besser auf das monetäre Ausgabeverhalten eines Menschen Einfluß nehmen als über einen sehr persönlichen und einfach unglaublich praktischen Service, dem er vertraut und der ihn gut zu kennen scheint.
    Google-Chef Schmidt, dessen Unternehmen eine der teuersten Marken der Welt ist und über zwanzigtausend Menschen beschäftigt, weiß sehr wohl, daß ein zu schnelles Vorpreschen bei Fragen der Privatheit die Akzeptanz gefährden kann. Schmidt sagt dazu: »Die Google-Unternehmenspolitik bei vielen Dingen ist es, bis genau an die Grenze zu gehen, wo es den Leuten unheimlich wird, aber nicht darüber hinaus.« Wo genau diese Grenze zur Unheimlichkeit verläuft, weiß Google aufgrund eines extensiven, präzise ausgewerteten Programms von Testanwendungen sehr genau. Und diese Grenze nach und nach durch das Angebot immer attraktiverer Dienste im Tausch für das Wissen über den Nutzer zu verschieben ist die kaum kaschierte Ideologie hinter Googles Geschäftsprinzip.
    Google existiert erst etwas mehr als eine Dekade, ist aber in dieser kurzen Zeit zum Inbegriff des Internetwissens geworden. Eine Mehrheit der im Netz Suchenden hat sich freiwillig in die Abhängigkeit der klandestinen Selektions- und Rankingkriterien eines einzelnen Konzerns begeben. Der Journalist Jochen Wegner hat den Begriff der »Googleisierung der Recherche« gebraucht, den man sicher auch auf andere Bereiche als nur auf die journalistische Recherche erweitern kann. Google ordnet die Informationen der Nutzer nicht nur und verarbeitet mit Abstand den größten Anteil aller Suchanfragen, es besitzt gleichzeitig das weltgrößte Archiv. Ein solches marktbeherrschendes Informationsmonopol gilt es aus Schmidts Sicht zu bewahren, die politischen Entscheider bei Laune zu halten. Die eine oder andere freiwillige Selbstverpflichtung einzugehen ist da oft hilfreich, um im Gegenzug das Geschäftsmodell einengende Gesetze abzuwehren, etwa eine in vielen Medienbereichen übliche regulatorische Reichweitenbegrenzung.
    Etwas, das Google fürchtet wie der Teufel das Weihwasser, ist staatliche Regulierung der marktbeherrschenden Stellung und der Datensammelwut des Unternehmens. Dazu bestünde ja auch keine Notwendigkeit, wird daher aus der Unternehmensführung stets betont, denn die Benutzung sei vollkommen freiwillig. Das gilt auch für »23andMe«, einer Datensammlung individueller genetischer Informationen, die von Google gesponsort wird. Das Sponsoring ist kein Zufall: Genealogische Recherchedaten sind bereits vor Jahren als wichtiger zukünftiger Markt erkannt worden.
    Doch von seiten der Politik erwächst keine ernsthafte Gefahr für den Monopolisten. Die Macht der Nutzer aber besteht. Erst wenn die Nutzer anfangen, Googles Verhalten anzuzweifeln, werden sie die angebotenen Services nicht nutzen oder gar woanders hingehen. Das gilt auch für die Dienstleistungen mit personalisierter Anmeldung, wie etwa Google Calendar oder Google Mail. Es kann den Anbieter in Schwierigkeiten bringen, wenn dem Werbepublikum klar wird, welchen Preis es für die vorgeblich kostenlosen Dienste zahlt. Daß etwa die höchstpersönlichen Kontaktdaten und sogar die Inhalte der E-Mails zur Optimierung der Marketingerlöse benutzt werden, sollte daher nicht allzu öffentlich breitgetreten werden, schon gar nicht im Detail: Es könnte die Menschen verschrecken.
    Doch was Nutzer verschreckt, was allgemein als problemlos oder adäquat empfunden wird, ist gemächlichen, aber manipulierbaren Veränderungen unterworfen. Die Bedingungen, unter denen die freiwillige Preisgabe persönlicher Informationen, vollständiger Namen, Adressen,

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