Die Datenfresser
nicht herum. Nur dann kann aus einer Werbebotschaft eine ganz gezielte Nachricht werden, die sich so in den alltäglichen Informationsfluß einschleicht, daß der potentielle Kunde sie womöglich als nützlich und nicht als störend empfindet.
Verpackt wird die profitgetriebene Ideologie in wohlklingende Warnungen, die Gesellschaft sei zwar noch nicht reif für die Segnungen der nutzergetriebenen Technologien und die um sich greifende Menschentransparenz. Doch all die Informationen in den weltweiten Google-Datenfarmen würden auch in anderen Zusammenhängen höchst nutzbringend sein, man denke nur an Bildung oder soziologische Forschung. Die Krönung der Forderungen aber: Die Abschaffung jeglicher Anonymität im Internet sei unabdingbar, sonst werde man der Mißbrauchspotentiale der modernen Technik nicht Herr. Nur mit der Transparenz des Lebens jedes einzelnen und vollständiger Nachvollziehbarkeit aller Handlungen sei letztlich Sicherheit vor Kriminalität und vielen sonstigen Problemen zu erzielen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Der angestrebten Transparenz auf seiten der datenvermarktenden Unternehmen steht aber das Interesse nach Anonymität der Benutzer diametral entgegen, vor allem, wenn es um höchstpersönliche Informationen geht. Google mit seinen dutzenden Wegen, schon heute das Verhalten jedes Internetnutzers an allen möglichen Stellen zu verfolgen und daraus Profit zu schlagen, hat natürlich ein eminentes Interesse an der weiteren Verdichtung der Identifizierbarkeit und Rückverfolgbarkeit bis hin zu vollständiger Transparenz.
Wer davon lebt, daß jeder möglichst gut verfolgbar ist, um ihm dann die Werbung so gezielt zu präsentieren, daß sie mehr wie eine Fortsetzung der eigenen Gedanken und Wünsche erscheint anstatt einer lästigen Darreichung eines allwissenden Internetkonzerns, kann weder Interesse an anonymen Nutzern noch am Konzept des Vergessens haben, wie es für das menschliche Gedächtnis typisch ist. Werbekunden wollen vor allem gezielte, aber auch über Monate oder Jahre gesammelte Informationen über Menschen, denn sie erkaufen sich damit den Zugang zu ihnen. Google besitzt dafür mit »Adsense« und »DoubleClick« die bekanntesten und marktführenden Dienste.
Anonymität, die im Internet letztlich den einzig wirksamen Schutz vor Ausforschung und Informationsausnutzung bietet, ist dem Konzern ein Dorn im Auge. Die Interessen der Strafverfolger und die der kommerziellen Datensammler decken sich hier. Ohnehin sind die Unternehmen in Deutschland bereits heute verpflichtet, innerhalb der gesetzlichen Grenzen Daten an Strafverfolger weiterzugeben. Auch in Ländern wie den USA sorgt der Patriot Act dafür, daß angeforderte Informationen aus privaten Datenbeständen sofort herausgegeben werden müssen. Entsprechend ist das Interesse der politischen Entscheider auch aus diesem Grund oft ausgesprochen gedämpft, wenn es um den Schutz der Privatsphäre der Bürger geht.
Google-Vordenker Vinton Cerf verweist gern darauf, daß es neben der Freiwilligkeit der Datenweggabe der Nutzer doch um bloße maschinelle Verarbeitung ginge: »Kein Mensch liest Ihre E-Mails oder andere persönliche Daten, keiner kopiert sie, niemand registriert Ihren Namen, Ihre Adresse. Ein Bot tut das. Ein Bot ist ein Computerprogramm, das Ihre Daten scannt, um zu sehen, ob es bestimmte Stichwörter gibt, die uns sagen, daß eine der Anzeigen unserer Werbepartner für Sie interessant sein könnte.« Als würde es einen Unterschied machen, daß Maschinen die Informationen zusammentragen, die von Menschen hernach meistbietend verhökert werden und dem Unternehmen Google derzeit pro Quartal über zwei Milliarden Dollar Gewinn bescheren. Und schließlich – so Cerfs ebenfalls leicht zu durchschauende Argumentation – würden die Nutzer schon dafür sorgen, daß Google nichts mit ihren persönlichen Informationen anfinge, was ihnen nicht passen würde. Als hätten sie umfassendes Wissen über den Datenhort, der zudem für viele ein Navigationsersatz im Netz geworden und in mancher Hinsicht kaum mehr abkömmlich ist.
Nicht ohne eine gewisse Ironie ist aber das Verhalten der Datenprofiteure, wenn es an die eigenen Daten geht. Interessanterweise ist Eric Schmidts Privatleben nicht gänzlich kompatibel mit seinen Postulaten. Er ist berüchtigt dafür, private Informationen über sein Leben – etwa über ehemalige Beziehungen – mit allen Mitteln zu unterdrücken, die einem Multimilliardär in den USA zur
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