Die Datenfresser
neue Dienst kam bei den Nutzern nicht gut an, Apple hatte offenbar unterschätzt, daß sein inhaltlich eher dürftiges Ping-Angebot und die etwas aufdringliche Art der Gewinnung neuer Nutzer nicht einmal von den Applejüngern goutiert werden würde.
Die Dinosaurier kommen: Microsoft
Interessant ist die Positionierung der Microsoft Corporation in der Debatte um das angebliche Ende der Privatsphäre. Microsoft ist aufgrund der langjährig monopolartigen Stellung in der Softwareindustrie – noch immer laufen mehr als achtzig Prozent aller Computer weltweit mit Betriebssystemen und Bürosoftware des Software-Riesen – lange Jahre der Buhmann der Branche gewesen, wenn es um den Umgang mit Nutzerdaten ging. Parallel zu einer umfangreichen Offensive gegen die notorischen Sicherheitsprobleme der eigenen Softwareprodukte war Microsoft lange Zeit bemüht, einen anderen Ansatz als seine Konkurrenten zu verfolgen. Anders als bei Google ist bei Bill Gates’ ehemaliger Garagenfirma, die zum Weltkonzern aufstieg, die öffentliche Wahrnehmung schon lange Jahre durch das Marktmonopol geprägt. Daran wurden Produkte und Dienstleistungen gemessen.
Die Betonung in Redmond, der Heimat von Microsoft, lag immer auf dem Personal Computer, einem Gerät, das sich möglichst weitgehend unter der Kontrolle des Nutzers befindet. Alles, was mit Internet, Vernetzung, Informationen und ihrer Verknüpfung zu tun hat, war für Microsoft stets suspekt. Angesichts der Monopolstellung des Konzerns wäre es auch kaum möglich gewesen, ohne massiven Gegenwind eine ähnliche Tiefe und einen vergleichbaren Umfang der Nutzerüberwachung wie Google, Facebook oder Apple anzustreben. Dem entsprachen die öffentlichen Äußerungen von Microsofts Gründer Bill Gates zum Thema Privatsphäre: Er forderte explizite gesellschaftliche Regeln für den Schutz der Privatsphäre, die auch in die Software-Entwicklung einfließen sollten.
Aus jüngerer Zeit sind keine so deutlichen Worte von Microsoft-Oberen mehr bekanntgeworden. Kein Wunder, auch Microsoft hat sein Geschäftsziel radikal angepaßt. Es gibt nun eine eigene Suchmaschine, inklusive Kartendienst und weiteren Funktionen, die Bing genannt wird. Auch das gutbesuchte Microsoft-Portal MSN beteiligt sich im Zuge der allgemeinen Freude am Datensammeln mutig beim Nutzerausforschen: Alter, Wohnort, Geschlecht, Einkommensgruppe, Familienstand, Kinderanzahl und Wohnsituation dürfen es schon sein.
Hinzu kamen in den letzten Jahren eine eigene Werbevermarktungsagentur, ein kostenloser E-Maildienst und zahlreiche weitere Netzangebote, mit denen der zuvor auf den Personal Computer fixierte Konzern nun versucht, Googles Geschäftsmodellen nachzueifern. Das Geld wird in Redmond immer noch primär mit Bürosoftware verdient, die Konkurrenz aus Kalifornien wurde aber so übermächtig, daß ein Beharren auf dem alten Modell kaum durchhaltbar war.
Das Ende der informationellen Autonomie
Daß die Äußerungen der Konzernchefs nicht die von unabhängigen Experten sind, sondern getrieben von eigenen Geschäftsinteressen, überrascht nicht. Dennoch birgt das anschwellende Herbeireden des »Endes der Privatsphäre« eine nicht unerhebliche Gefahr: die Beschleunigung der Erosion der informationellen Selbstbestimmung sowie damit einhergehende Abschreckungs- und Einschüchterungseffekte. Angesichts der Massen von Menschen, die in den letzten Jahren mehr oder weniger aktive Mitglieder der sozialen Netzwerke geworden sind, ist es gängiges und bei wirklich keiner Diskussion fehlendes Argument geworden, daß die Benutzer offenbar gar kein Interesse mehr an einer allzu privaten Kommunikation hätten. Daß fast ein Viertel der aktiven, regelmäßigen Internetnutzer einen Facebook-Account besitzen, wird als Indiz gewertet, daß wir uns in eine transparente oder gar exhibitionistische Gesellschaft wandeln.
Eine Gesellschaft ohne Geheimhaltungsinteressen, die das Konzept von schützenswerter Privatheit ohne Pflicht zur Rechenschaft nicht mehr wertschätzt und für weniger wichtig erachtet als effizientes Einkaufen und allumfassende soziale Kontaktmöglichkeiten, verändert sich von Grund auf. Denn natürlich steht der Rückzugsraum des Privaten letztlich für Freiheit und Autonomie, die bedroht ist von einer mehr und mehr verinnerlichten und zuweilen exhibitionistischen Selbstüberwachung und letztlich dem schnöden Diktat des Mammons.
Schon in den 1990er Jahren hatten Autoren wie der Science-fiction-Autor David Brin die Idee, im
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