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Die Datenfresser

Titel: Die Datenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constanze Kurz
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wurden etwa eine halbe Million Telefonate von Verdächtigen in Strafprozessen abgehört, damals noch mit vergleichsweise hohem technischem Aufwand. Diese erschreckende Zahl erscheint aus heutiger Sicht fast lapidar. Denn nach der vollständigen Digitalisierung des Telefonnetzes wurde es für die Ermittler bald einfacher. Nach nur zehn Jahren wurden 2003 insgesamt bereits 26 177 Anschlüsse abgehört. Das entspricht statistisch knapp fünfzig Millionen Gesprächen, wenn man die durchschnittliche Nutzung eines Anschlusses zugrunde legt.
    Diese enorme Zahl hat sich nochmals fast verdoppelt. Die Telekommunikationsüberwachung ist heute mit über 45 000 abgehörten Anschlüssen und damit statistisch etwa einhundert Millionen belauschten Gesprächen pro Jahr ein alltägliches Ermittlungsinstrument geworden. Deutschland nimmt damit die internationale Spitzenposition im Abhören seiner Bürger ein. Diese Zahlen sind jedoch keineswegs das Ende der Fahnenstange, da sie nur das Abhören im Rahmen strafprozessualer Ermittlungen umfassen. Zahlen darüber, wie oft die neunzehn deutschen Geheimdienste an den Leitungen lauschen, sind allerdings nicht bekannt.
    Telekommunikationsüberwachung und Vorratsdatenspeicherung geschehen hinter dem Rücken des Telefonierenden. Anders als bei den kommerziellen Datensammlern hat der Telefonbesitzer aufgrund der Heimlichkeit der Datenerlangung nur wenige Möglichkeiten, die Erstellung und Auswertung seines Bewegungsprofils zu verhindern.

Foursquare & Co.
    Behörden und Geheimdienste sind natürlich nicht die einzigen Nutznießer der vielen neuen Möglichkeiten bei der Lokalisierung von Mobiltelefonen. Nach vielen fehlgeschlagenen Anläufen und etwa zehn Jahren des Experimentierens sind offenbar nun alle Faktoren erfüllt, um kommerziell erfolgreich Dienste auf der Basis von Geolokationen anzubieten. Es gibt mittlerweile einfache technische Wege, das Telefon zu lokalisieren, es gibt gutes digitales Kartenmaterial, und in den letzten Jahren haben sich die Nutzer schleichend daran gewöhnt, mehr Daten von sich preiszugeben. Zu wissen, wo jemand sich gerade aufhält und wo er sich zuvor aufgehalten hat, ist so etwas wie der heilige Gral für die Werbetreibenden.
    Eines der größten Unternehmen im Bereich der geographischen Lokalisierung in der Mobiltelefonie ist neben dem Platzhirsch Google die Firma Foursquare, die als Start-up begann und innerhalb weniger Monate weltweit Hunderttausende Benutzer anziehen konnte. Foursquare benutzt nicht nur eine einzelne Technologie zur Erfassung der Position des Telefons, sondern bedient sich einerseits der Daten der GPS -Satelliten im Erd-Orbit, andererseits der umliegenden lokalen WLAN -Netze und der GSM -Funkzellen, die moderne Telefone allesamt erfassen. Dem registrierten Benutzer werden ebenfalls die Geolokationen von Freunden, Familie oder Kollegen, die zugestimmt haben, daß ihre Position übermittelt werden darf, angezeigt. Dazu kommen Vorschläge für nahe gelegene sogenannte »Points of Interests«.
    Das allein würde natürlich noch niemanden hinter dem Ofen hervorlocken. Denn den eigenen Standort preiszugeben ist für viele Benutzer eine Hemmschwelle. Um die Nutzerzahlen hochzutreiben und das Nutzerverhalten möglichst werbetauglich zu beeinflussen, entwickelte Foursquare daher ein komplexes Spielkonzept, bei dem die Mitglieder Punkte und Abzeichen erhalten, wenn sie sich an bestimmten Orten aufhalten. Das Ganze erinnert an die Pfadfinder-Abzeichen. Sobald ein Foursquare-Mitglied an einem bestimmten Ort ist, kann es dort »einchecken«, also seine Position bestätigen. Die Lokation muß dazu namentlich benannt werden. Aus den Zahlen der Geoposition wird dann per positionsgesteuerter Auswahlliste und dem »Check-in« durch den Nutzer ein für Menschen faßbarer Ort. So kann man in Foursquare etwa »Bürgermeister« eines Clubs oder Restaurants werden, wenn man sich dort nur häufig genug aufhält.
    Werbekunden, wie etwa Schnellimbißketten oder Diskotheken, knüpfen dann Bonusversprechen oder Rabatte an den entsprechenden Foursquare-Status. Wer »Bürgermeister« eines Lokals einer Café-Kette geworden ist, bekommt sein koffeinhaltiges Heißgetränk für einen Dollar weniger. Am besten funktioniert das natürlich, wenn bestehende soziale Verknüpfungen genutzt werden können. Wer gerade »Bürgermeister« eines bestimmten Ortes geworden ist, kann diese neue Errungenschaft an alle seine Freunde per Twitter, Facebook und natürlich in Foursquare selbst

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