Die Datenfresser
Wahrscheinlichkeit einer korrekten automatischen Abschätzung des tatsächlichen Ortes dramatisch erhöhen.
Fehler in der Positionsermittlung per GPS und Mobilfunk tendieren dazu, wiederholbar zu sein. Diese fehlerhaften Geopositionen treten beispielsweise bei ähnlichem Wetter auf, weil die Funkwellen etwa von feuchten Mauern umstehender Gebäude reflektiert werden und sich dadurch immer wieder mal auftretende Positionsfehler ergeben. In einem ersten Schritt werden die Dienste dazu übergehen, automatisches Check-in für bestimmte Orte anzubieten, an denen sich viele Nutzer häufig aufhalten. Die typischen Positionsermittlungsfehler an diesen Orten sind dem Anbieter durch die hundertfach von den Nutzern erledigte Angabe der tatsächlichen Lokation – etwa des Clubs oder des Restaurants – dann schon bekannt und können herausgerechnet werden.
Mit der zunehmenden Präzision der Ortsermittlung durch Mini-Funkzellen, WLAN und andere Technologie-Entwicklungen wird ein für den Nutzer komfortables Dauer-Tracking immer wahrscheinlicher, das automatisch den Aufenthaltsort aus der Geoposition ermittelt. Einen solchen Service bietet Google bereits an. Googles »Latitude« ermittelt und überträgt permanent die Position jedes Nutzers. Anders als bei Foursquare wird bei Latitude anstelle von namentlichen Orten aber nur die rein numerische Geoposition verwendet. Sie wird mit einer Funktion kombiniert, die es dem Nutzer ohne zeitlichen Verzug signalisiert, sobald sich ein Freund in der Nähe befindet. Interessanterweise sind die Nutzerzahlen von Latitude bisher vergleichsweise gering, obwohl Googles neue Services regelmäßig innerhalb kurzer Zeit Tausende Neugierige anziehen.
Für das Phänomen, daß Latitude nur vergleichsweise wenige Nutzer fand, dürfte neben anderen Aspekten ein Faktor eine große Rolle spielen, der sich schon in früheren Experimenten mit lokationsbasierten Diensten herausstellte: Viele Menschen wollen nicht auch noch im realen Leben, außerhalb des Netzes, übermäßig viele Gedanken darauf verwenden, wer gerade ihren Aufenthaltsort sehen kann. Es reicht ihnen wohl schon, sich Gedanken darüber zu machen, wem sie was online offenbaren. Auch noch bei jedem Kneipenbesuch zu überlegen, wer daraus welche Schlüsse ziehen könnte, und gegebenenfalls den Dienst auszuschalten ist ihnen offenbar zuviel des Guten. Der rein geographische Aufenthaltsort ist zudem interpretierbar, zweideutig, lädt zu Mißverständnissen ein. Gerade in dichten urbanen Gebieten, wo Sexclubs, Anwaltskanzleien, Parteiniederlassungen und Nobelrestaurants Tür an Tür liegen, ist der Kontext einer Geolokation oft genug mehrdeutig.
Ausgekundschaftet
Nicht nur über die kommerzielle Verwertung solcher Dienste und über den möglichen Zugriff der Strafverfolgungsbehörden auf Datensammlungen sollte man sich im klaren sein. Ebenso gravierend ist auch das unlösbare Problem der Datensicherheit: Anbieter haben durch Hunderte Datenverluste in der Vergangenheit bereits bewiesen, daß ihnen nicht bedingungslos vertraut werden kann. Und auch in der ganz normalen Nutzung der Geo-Services entstehen substantielle Alltagsrisiken, deren man sich bewußt sein sollte. Die folgende Geschichte ist eine Zusammenstellung aus tatsächlichen Vorkommnissen.
Karola und Lydia verabreden sich auf Facebook mit ein paar anderen Freundinnen für einen lustigen Freitag abend. Zuerst geht es ins Kino, danach in die Bar, dann mal schauen, wie sich die Nacht weiter entwickelt. Die ganze Clique ist wohlvernetzt und technologisch »up to date«. Sie nutzen Twitter und Facebook von ihren Telefonen aus, seit neuestem auch Foursquare und Facebook Places. Es ist unendlich praktisch, den Nachzüglern nicht immer einzeln am Telefon erklären zu müssen, wo die Party gerade abgeht. Einfach kurz per Telefon »einchecken«, dann wissen alle, wo sie hinfahren müssen. Um ihre Sicherheit machen sich die jungen Damen nicht zu viele Gedanken, ihre Heimatstadt gilt durchweg als ungefährlich, und sie sind eigentlich immer als Horde unterwegs. Viel voreinander zu verbergen haben sie auch nicht: Wenn eine von ihnen mal einen nett aussehenden jungen Mann aufgabelt, erfahren es die anderen meist ohnehin brühwarm per Facebook-Message oder Twitter, mal mit, mal ohne Foto.
Doch nicht alle Menschen sind wohlmeinend: Roger ist Berufseinbrecher. Er arbeitet teilweise auf Bestellung, spezialisiert auf Kunst, teure Kameras, Computer – kurz: alles, was klein und wertvoll ist. Vor
Weitere Kostenlose Bücher