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Die Datenfresser

Titel: Die Datenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constanze Kurz
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berichtet wurde, bleibt eine verschwommene Bedrohung der Privatsphäre. Doch bekommt ein verkaufter Zugang zu einem Facebook-Profil durch Verkäufer und Käufer dieser virtuellen Identitäten ein Preisschild: Für den Zugang zu einem Mitgliedskonto mit nur sehr wenigen Kontakten werden aktuell etwa 25 Dollar gezahlt, aktivere, datenhaltigere Accounts kosten etwa 45 Dollar.
    Solche gekauften und später übernommenen Mitgliedskonten können für das Opfer fatale Folgen haben, als ernsthaftes Risiko werden sie dennoch kaum erkannt. Typisch ist der Diebstahl hinterlegter Kreditkartendaten. Nicht selten sind auch Fälle, bei denen die gekaperten Freundeskreise des Profilbesitzers mit erfundenen Geschichten um Geld gebeten werden: Wenn etwa der Facebook-Freund vermeintlich ohne Gepäck auf einem fremden Flughafen festsitzt oder im Urlaub scheinbar ausgeraubt wurde, sind die Freunde oft gern zur finanziellen Hilfe bereit. Der Hilferuf über das Facebook-Profil kommt ja echt rüber. Die Geprellten sehen ihr Geld natürlich nie wieder.

Informationskontrolle vs. Leichtfertigkeit
    Bemerkenswert ist der Unterschied zwischen der geradezu manischen Informationskontrolle, die Firmen ihren Mitarbeitern auferlegen, um Unternehmensinteressen zu schützen, und der oftmals von den gleichen Firmen propagierten Datenfreigiebigkeit von Einzelpersonen über ihr Privatleben. Keine Firma auf diesem Planeten würde ernsthaft verlautbaren: »Wir haben nichts zu verbergen.« Im Gegenteil: Es lebt mittlerweile eine ganze Industrie davon, Lösungen zur Verhinderung von Informationslecks zu entwickeln und anzubieten.
    Die Grundprämisse dabei ist, daß alle Informationen, die unabsichtlich über das Unternehmen gebloggt, getwittert oder sonstwie publiziert werden, schädlich sein könnten. Entsprechend aggressiv werden die digitalen Lebensäußerungen von Mitarbeitern überwacht, aber auch alle Erwähnungen des Firmennamens, von Produkten und relevanten Stichworten in sozialen Netzwerken verfolgt und analysiert. Alles, was das Potential hat, einen sogenannten »viralen Effekt« auszulösen, gilt als hochkritisch. Gemeint sind alle Informationen, die durch ihren Inhalt oder ihre meist witzige Verpackung dazu führen können, daß viele Nutzer sie an ihre Freunde weiterleiten.
    Die Unannehmlichkeiten, die kleinen und großen Katastrophen, die Privatpersonen durch virale Enthüllungen passieren können, treffen auch Unternehmen. Im Gegensatz zu den meisten Privatpersonen haben diese jedoch ungleich größere Ressourcen, um auf rechtlichem Wege, per Public Relations oder auch durch Ausübung ökonomischer Macht negative Folgen einzudämmen oder zu verhindern. Ein Unternehmen, das einmal für schlampig ausgeführte Produkte in die Schlagzeilen oder die Twittermühle gerät, geht in der Regel nicht einmal pleite, sondern hat nur für eine gewisse Zeit reduzierte Umsätze zu verkraften. Oft genug nicht einmal das, wenn entsprechend geschickte Gegenmaßnahmen ergriffen werden.
    Der Schaden ist meist nicht einmal mit den persönlichen Katastrophen zu vergleichen, die durch leichtsinnigen oder mutwilligen Umgang mit privaten Informationen regelmäßig entstehen – vom Jobverlust, der zum Verlust des Hauses führt, weil die Kreditraten nicht mehr gezahlt werden können, bis zur lebenslangen Stigmatisierung im sozialen Umfeld für ungewöhnliche Vorlieben und Einstellungen. Vergleicht man jedoch den Aufwand, die Akribie und die Hartnäckigkeit, mit der Firmen auf ihre Informationen aufpassen, mit der Leichtfertigkeit und Ignoranz, mit der viele Menschen mit ihren und ihrer Freunde Daten umgehen, so hat sich hier ein dramatisches Mißverhältnis eingestellt.

Vertrauen und Macht
    Sich zu offenbaren setzt ein Vertrauen darauf voraus, daß das Wissen über einen selbst nicht mißbraucht wird, daß eventuelle intime Einblicke und Schlußfolgerungen keine negativen Konsequenzen haben. Daß man zu Treffen der Anonymen Alkoholiker geht, mag man Freunden anvertrauen, beim Chef, Arbeitsamt oder dem Vermieter hingegen befürchtete man negative Folgen. Scheidungen sind ein typisches Beispiel für einen Vertrauensbruch. Der ehemals enge Partner mit sensiblen Einblicken in Ansichten, Lebensweisen, aber auch Regelübertretungen, kann zum Intimfeind werden, wenn dieses Wissen sich nun gegen einen richtet. Sich nicht allen und jedem zu offenbaren ist der Schutz der eigenen Zukunft. Selbst wenn keine wirklichen Leichen im Keller liegen, können doch Jugendsünden im

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