Die Dawson Brüder - Gefährliches Spiel
rieb sie die abgehauenen Kanten des Tellers an der steinigen Wand ab, um das Runde in eine spitze Form zu bringen. Irgendwann war Sarah fertig. Sie konnte das Ergebnis zwar nicht sehen, dafür aber fühlen. Es hatte sie anstrengende Stunden gekostet, doch schließlich hatte sie es geschafft, aus dem Teller eine große Spitze zu formen. Sie steckte das provisorische Messer in ihren Hosenbund und kehrte die Scherben mit den Händen zusammen. Den Haufen schob sie dann dicht an die Wand neben der Tür, um ihn vor den Blicken des Eintretenden zu verbergen.
Als Sarah fertig war, sah sie sich an den Fingernägeln kauend um. Ihre Hände zitterten bei dem Gedanken daran, die Waffe benutzen zu müssen. Ob sie wirklich in der Lage war, jemanden zu erstechen? Weil sie den Kerkerboden vor lauter Dunkelheit nicht sehen konnte und um sicherzugehen, dass sich auch wirklich keine Scherben auf dem Boden befanden, zog sie kurzerhand ihren Pullover aus und begann, die gesamte Zelle damit zu wischen und hinter die Tür zu kehren. Schließlich rollte sie sich in einer Ecke zusammen, nutzte den verdreckten Pullover als Kissen und schlief ein.
Sarah vernahm ein klapperndes Geräusch und schlug die Augen auf. Die Kerkertür wurde geöffnet und der Raum lichtdurchflutet. Durch die plötzliche Helligkeit geblendet, hielt sie die Hand vor Augen. Sie wusste, wer sie da besuchen kam, dennoch verkrampfte sich ihr Magen, als seine Stimme erklang.
»Schön, dich wiederzusehen, Sarah.«
Sie nahm die Hand runter, wich in die hinterste Ecke zurück und blinzelte zu Samuel hoch. Nachdem sich ihre Augen an das Licht gewöhnt hatten, erkannte sie, wie unnatürlich blass er im Gesicht war. Unter seinem weißen Shirt konnte man den Verband deutlich hervortreten sehen, der um seinen Bauch gewickelt war. Samuels Gesicht war schmerzverzerrt und seine Bewegungen langsamer als gewohnt.
»Mein Bruder hat mir eine Woche Bettruhe verschrieben, aber du verstehst sicher, dass ich nicht länger warten kann, mich bei dir zu revanchieren.«
Sie stand langsam auf, darauf bedacht, keine hektischen Bewegungen zu machen. Die Kerkertür stand offen und Samuel war verletzt. Nicht, dass sie glaubte, es wegen seiner Wunde auch nur annähernd mit ihm aufnehmen zu können, aber vielleicht schaffte sie es zu fliehen. Und was dann? Die gesamte Insel ist videoüberwacht und Eric und Jake laufen noch frei herum. Du wirst es niemals zum Boot schaffen! Sie brachte ihre argwöhnende Stimme zum Schweigen und atmete tief durch. Egal, wie aussichtslos die Situation auch schien, sie würde keinesfalls so ohne Weiteres aufgeben!
»Du siehst blass aus, Samuel. Habe ich dir so sehr zugesetzt?«, fragte sie und versuchte, das Zittern in ihrer Stimme zu unterdrücken.
Samuel wollte auf sie zukommen, stockte dann aber sichtlich verwirrt. Er schien durcheinander, weil sie ganz offensichtlich keine Angst vor ihm hatte – oder zumindest glaubte er das. Denn natürlich fürchtete sie ihn, sie hatte aber auch genug Filme gesehen, um zu wissen, dass es den Peiniger meist verwirrte, wenn das Opfer keine Furcht zeigte. Er schien einen Moment ehrlich durcheinander zu sein und Sarah nutzte die Gelegenheit, um sich gegen ihn zu werfen und zur Tür zu rennen. Ihr Plan wäre wunderbar aufgegangen, hätte sie nur mehr Kraft in den Stoß gesetzt. Denn so stolperte Samuel zwar einen Schritt zur Seite, fand aber augenblicklich sein Gleichgewicht wieder.
»Hatten wir das nicht schon? Du kannst nicht fliehen«, sagte er und zog sie an den Haaren zurück. Sarah stolperte rückwärts in den Kerker und schrie vor Schmerzen auf. Dann wurde sie herumgeworfen und mit dem Kopf gegen die Wand gestoßen. Ohne den Aufprall richtig zu spüren, ging sie zu Boden. Es war, als wäre ihr Kopf mit Watte gefüllt und die Schmerzen zu weit entfernt, um sie wirklich zu fühlen. Ihre Sicht verschwamm und sie rutschte seitlich an der Wand herab. Sie versuchte, noch Halt zu finden und die Ohnmacht zu bekämpfen, doch es gelang ihr nicht, sich auf den Beinen zu halten. Wenigstens konnte sie die Dunkelheit soweit zurückdrängen, dass sie im Hier und Jetzt blieb. Mit großem Entsetzen beobachtete sie, wie Samuel ein langes Küchenmesser aus seinem Stiefel beförderte. Er fuchtelte damit vor ihren Augen herum, um ihr zu demonstrieren, wie geschickt er mit der Waffe war, dann ließ er die Klinge blitzschnell über ihr Gesicht fahren. Sarah schrie und schreckte gleichzeitig zurück, als sie ein scharfes Brennen an der linken Wange
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