Die Delfine von Atlantis ("Alantis"-Trilogie) (German Edition)
versagte bei dieser Geschwindigkeit; er war der magischen Strömung völlig ausgeliefert und konnte nur hoffen, dass er gegen keinen Felsen prallte, denn dies würde bei dem Tempo seinen sicheren Tod bedeuten. Aber die Strömung suchte sich den leichtesten Weg und teilte sich rechtzeitig, wenn ein Hindernis auftauchte. Mario musste sich nur der Strömung überlassen und durfte nicht gegensteuern, dann umfloss er zusammen mit dem Wasser alle Riffe und kam sicher über sämtliche Untiefen.
Nach einer Weile hatte er sich an die atemberaubende Geschwindigkeit gewöhnt und fing an, die abenteuerliche Art zu reisen zu genießen. Das Einzige, was störte, war Spy, der sich in seiner Rückenflosse festgebissen hatte und fast mit ihm zu verschmelzen schien.
»Wie in einer Achterbahn!«, rief Sheila ihm zu, die ein paar Meter vor ihm schwamm.
Er konnte ihre Worte kaum verstehen, denn der Lärm im Meer war mit einem Mal gewaltig; es schien fast so, als hätte er sich auch verhundertfacht.
»Acht…!«, schrie Sheila wieder.
»Ja, ja, schon gut!«, rief Mario. Er fand, dass sich Achterbahnfahren anders anfühlte.
Erst als er völlig unvorbereitet einen unglaublich hohen Tiefseewasserfall hinabstürzte, ging ihm auf, dass Sheila ihm wohl »ACHTUNG!« zugerufen hatte.
5. Kapitel
Hiobsbotschaft für Alissa
Alissa drehte sich um. Auf dem Gesicht ihres Mannes spiegelten sich Ungläubigkeit und Entsetzen.
»Was hast … du … eben getan?«, stammelte er.
Sie versuchte ruhig zu bleiben. Es war versehentlich passiert. Sie hätte es ihm schon viel früher sagen müssen, aber irgendwie war nie der richtige Zeitpunkt dafür gewesen.
»Ich kann mich in einen Delfin verwandeln, Roland«, sagte sie, als sei es das Normalste auf der Welt. »Das funktioniert, seit ich zwölf Jahre alt bin. Ich bin nämlich eine Meereswandlerin. Das ist aber nichts, wovor du Angst haben musst.«
Sie wollte ihn umarmen, doch er wich vor ihr zurück, als hätte sie eine ansteckende Krankheit.
»Fass mich nicht an!«
»Aber Roland!« Sie versuchte zu lachen. »Es ist nicht gefährlich, wirklich nicht.«
Er wich weiter zurück, die Augen vor Schreck geweitet.
»Du … du … Monster!«, rief er. »Du bist ein MONSTER!«
Jetzt warf der dreijährige Junge, der im Sand gespielt hatte, sein Eimerchen zur Seite, kam auf sie zu und umschlang ihre Beine.
»Papa ist böse!«, schluchzte er. »Du bist kein Monster, Mami!«
Alissa erwachte und blinzelte. Sie spürte, wie eine Träne über ihre Wange rollte. Wie oft hatte sie diesen Traum schon geträumt!
Der Glasdeckel über ihrem Körper wurde angehoben, und an der Seite erschien ein hässliches gelbes Fischgesicht. Alissa stöhnte, als die Erinnerung zurückkam. Sie war gefangen. Gefangen imBauch eines schwarzen Wals, in dem Zaidon hauste, der Lord der Tiefe – zusammen mit seinem abscheulichen Diener, dem Groll …
»Schlauch wechseln«, sagte der Groll und begann an ihren Schläuchen herumzufummeln.
»Wie lange … habe ich … geschlafen?« Das Sprechen fiel Alissa schwer. Sie hatte das Gefühl, dass ihre Stimme und ihre Lippen regelrecht eingerostet waren. Als sie versuchte, den Arm zu heben, gelang es ihr nur unter Schmerzen. Der Arm fühlte sich matt und kraftlos an.
»Es waren fünf Tage, aber für dich sieben Jahre«, antwortete Zaidon von seinem Thronsessel aus.
Alissa schluckte und wischte sich die Träne ab. Sieben Jahre. Dann war sie inzwischen schon dreiundvierzig. Die Zeit schien ihr wie Sand zwischen den Fingern zu zerrinnen.
»Gnade«, sagte sie mit schwacher Stimme. »Lassen Sie mich frei.«
Zaidon lachte leise.
»Noch ein bisschen Geduld«, sagte er.
»Wie lange noch?«, fragte sie. »Waren Sie nicht mit zehn Jahren Lebenszeit einverstanden?«
»Das habe ich nicht gesagt«, antwortete Zaidon.
Ich hab es gewusst, dachte Alissa verzweifelt. Er nimmt mein ganzes Leben. Ich werde niemals zu Mario zurückkehren können.
»Ich habe aber eine Abmachung mit deinem Sohn getroffen«, sagte Zaidon, als hätte er ihre Gedanken gelesen.
Alissa spürte, wie sich ihr Magen zusammenzog. Sie hatte so sehr gehofft, dass Mario nicht mehr in Gefahr war. Schließlich war sie Zaidons Ruf gefolgt, um ihren Sohn zu schützen.
»Was für eine Abmachung?«, fragte sie. »Mit Mario?«
»Ja, mit Mario«, erwiderte Zaidon. »Ich lasse dich frei, sobald er eine Aufgabe für mich erledigt hat.«
»Aber …« Alissa hatte das Gefühl, dass eine große Faust ihr Herz zusammendrückte.
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