Die dem Mond ins Netz gegangen - Lene Beckers zweiter Fall (Lene Becker ermittelt) (German Edition)
ich ihn sonst kratzen und beißen würde. Mal sehen, was seine liebe Frau dann dazu sagen würde. Das half. Er ließ los. Ich rannte schon wieder weg.
Ein toller Abend. Nach zwei Stunden am Strand, in denen ich über Sebas tian und über IHN nachgedacht hatte, gaben mir meine Gedanken über die Katharer und das, was ich damals sicher erlebt hatte, meine Kraft zurück. Was war das alles hier gegen das, was diese Gürtelspange symbolisierte? Mir fehlt Marion. Meine Mama könnte mir jetzt helfen, mit mir nachdenken, aufs Meer sehen und über die Katharer sprechen. Ich fühlte mich sehr allein. Aber auch wieder ruhiger.
Als ich zum Platz zurüc kkam, war es stockdunkel. Und Sebastian war weg.
10. Juli
Vorhin hat Irene endlich angerufen und ich habe ihr die Geschichte mit Sebastian erzählt. Sie vorgewarnt. Es ging ihr auch so wie mir. Sie war entsetzlich enttäuscht. John will am 12. zurückfliegen. Er war so lieb zu ihr gewesen. Die Idylle hatte durch Sebastian einen Gefühlsknacks bekommen. Marion wollten wir es erst später sagen. Damit sie nicht übereilt reagiert. Man weiß bei ihr nie, was sie aus Stolz tun wird. Ich würde gern mit Daddy alles besprechen, aber das kann ich wohl nur, wenn wir uns persönlich sehen. Ich will auch nicht, dass da Misstrauen entsteht, solange John noch da ist.
1 3. Juli mittags
Jean-Pierre hat vorhin endlich angerufen, dass er Nachricht aus Toulouse hat!!! Sieht gut aus. Wir haben uns verabredet für morgen, allerdings mit den anderen. Übermorgen wollen wir uns allein sehen um das zu feiern, und wollen dann besprechen, wann wir zu seinem Freund fahren. Ich freue mich so auf ihn! Wir haben uns seit Sebastian nicht gesehen und ich bin froh, wenn ich übermorgen einmal in Ruhe mit ihm reden kann. Er wird mir sicher helfen. Jetzt wo ich ihm so viel Neues erzählen kann und muss! Er wird staunen.
14. Juli - h alb eins
Es ist schon nach Mitternacht, alle um mich herum schlafen schon brav. Ich habe gerade ganz vorsichtig meine Gürtelspange heruntergeholt und sie in meiner Hand gehalten. Mein kostbarster Besitz. Ob ich in diesem Leben auch die Weisheit erlange, die die Perfecta hatte? Der silberne, fast schwarze Kreis, liegt warm und rund in meiner Hand, ich fühle mein Blut darunter in der Handfläche pulsieren. Die Schlangen in der Grazie ihrer Umschlingung sind für mich fast lebendig. Ich fühle mich reich.
Lene klappte das Tagebuch zu. Während die Kommissarin in ihr die beiden Verdächtigen in den Aufzeichnungen aufspürte, trauerte die Frau in ihr um diese junge Frau, die so früh so viel Tiefgang hatte, so viele Fragen aufgeworfen hatte, für die sie in einem langen Leben die Antworten gefunden hätte. Das lange Leben, das sie jetzt nicht haben würde. Die Freundin trauerte mit Marion um deren Kind, wusste, dass der Schmerz für sie nie aufhören würde. Ebenso wie für Ferdinand.
Eines war jedoch klar – sowohl Sebastian Sandler als auch der Mann, der ER hieß, hatten ein Motiv. Und natü rlich auch Jean-Pierre, der um den Fund wusste. Und der Freund, der Priester? Man würde sehen – sie mussten weiter suchen.
Durch ihr langes Gespräch mit Marion war es vorhin zu spät für die Befragungen der Nachbarn geworden. Aber das war nicht falsch, wie sie jetzt sah. Sie konnte mit den neuen Informationen gezielter fragen. Auch nach Sebastian.
Unruhig schlief sie ein. Hörte noch, wie sich Sophie leise hereinschlich und kurze Zeit später ihre tiefen Atemzüge. Dann war sie wieder eing eschlafen.
K apitel 14
Dienstag, 17. Juli
Lene wurde schon früh wach. Leise schlich sie sich aus dem Wohnwagen nach draußen in die Morgenwärme. Sie griff sich nur ihr Handtuch, hängte sich den wasserdichten Geldbehälter um den Hals und holte leise ihr Fahrrad. Fuhr wieder durch die stillen Alleen und atmete tief durch. Bei den Dünen ging es zu Fuß weiter und oben auf dem Kamm sah sie das Meer glatt und glitzernd vor sich liegen. Tiefe Freude stieg in ihr auf, ein Gefühl von grenzenloser Freiheit. Sie überquerte den breiten Strand, es waren nur sehr wenige Menschen zu sehen. Und dann lief sie in das um sie herum aufschäumende Wasser, hinein in die glitzernden Wassertropfen, die sie selbst erzeugte. Ließ sich ins Wasser gleiten und schwamm und schwamm. Alles fiel von ihr ab, jeder Gedanke, jede Belastung. Das, was zählte, war das Wasser um sie herum, die Befreiung durch die Kraft ihrer Glieder vorwärtszukommen. Glücksgefühle – aus allem herausgelöst. Nur sie selbst
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