Die dem Mond ins Netz gegangen - Lene Beckers zweiter Fall (Lene Becker ermittelt) (German Edition)
sein.
Als sie wieder am Ufer ankam, stand Jonas vor ihr. Er hatte sie schon beim Schwimmen gesehen und auf sie gewartet. Sie setzten sich auf das Handtuch, sahen aufs Meer. Dann fing Lene an zu sprechen. Erzählte von Brigitte, von den Tagebüchern, von ihrer Entdeckung. Sie wusste, Jonas würde mit niemandem darüber sprechen und sie brauchte die Aussprache mit ihm. Sie schilderte ihm ihre Verwirrung über die Art des Fundes. Was konnte dahinterstecken, wenn man den Gedanken des Wissens aus alten Inkarnationen ausschloss? Es wirkte einfach zu fantastisch, zu sehr abgerückt von ihrem normalen, kritischen Denken. Gab es so etwas?
Jonas ließ sich Zeit mit der Antwort, sprang aber dann mit aller Intensität seiner für ihn typischen Gedankenkraft in das Thema.
» Es gibt schon so etwas, wenigstens wissen wir das doch von den großen Lamas Tibets, allen voran dem Dalai Lama. Zumindest wird es behauptet – und wer gibt uns das Recht daran zu zweifeln? So ohne Wunder geht es ja auch in unserer Religion nicht gerade zu. Nur – wir haben uns mit unserer Ratio eben schon weit von allem reinen Glauben entfernt. Wenn es so etwas gibt, dann gilt, es ist insgesamt möglich, und zwar für alle Menschen. Egal ob wir daran glauben oder nicht. Findest du doch auch?«
Lene nickte. Und Jonas fuhr fort.
» Es gibt immer wieder Berichte von Menschen, die sich erinnern schon einmal hier gewesen zu sein, genau an diesem Ort, den sie jetzt scheinbar zufällig aufgesucht hatten und über den sie alles wissen – in alten Häusern zum Beispiel die Aufteilung der Räume, Verstecke und Ähnliches. Wie bei deinem Ausflug in die Pyrenäen damals. An einer Universität - in Süddeutschland sogar, war es nicht sogar Erlangen? - läuft schon ein Projekt, für das ein Physiker die Aussagen kleiner Kinder über solche Erlebnisse sammelt. Denn die alten Reinkarnationslehren sagen, dass Kinder unter sechs Jahren sich oft noch an alte Leben erinnern. Zumindest leichter. Also möglich ist es wohl. Ob es hier so war, steht auf einem anderen Blatt. Vielleicht war Brigitte ja ein wenig überspannt, gerade weil sie sich mit dem Thema beschäftigt hat, über ihre Mutter gedanklich infiziert war. Wir wissen es nicht. Die Frage ist nur …«
» Ja, die Frage ist«, fiel Lene ihm ins Wort, »ob die Spange echt ist, und ob sie ein Mordmotiv darstellt. Denn für uns geht es ja eigentlich um die Mordaufklärung. Und das ist vertrackt genug. Und nun kommt auch noch die Kirche ins Spiel über diesen Père Jean Baptiste. Genauer, ein Kunstsachverständiger der katholischen Kirche! Jonas, ich bin auf den Mann gespannt.«
Sie zögerte kurz, kam noch einmal auf Jonas’ G edanken zurück.
» Du hast Recht, mit dem, was du sagst. Viele Menschen glauben, das alles gälte nur für Buddhisten. Oder Inder. Schön weit weg. Ich habe schon immer gedacht, dass es eigentlich unglaublich ist, dass die Menschen es fertig bringen andere Religionen von sich abzuspalten. Denn wenn etwas gilt, gilt es für alle, da stimme ich dir zu. Trotzdem, verwirrend ist die Geschichte schon, wenn sie einen plötzlich selbst an die Grenzen der eigenen Überzeugung führt.«
Sie holte tief Luft, es klang fast wie ein Seufzer.
»Diese Verflechtung mit den Katharern gerade hier gefällt mir gar nicht. Schon seltsam. Andererseits sind das ja nur meine Gedanken. Vielleicht ist alles ein ganz normales Eifersuchtsdrama, falls es das Wort normal im Zusammenhang mit Mord überhaupt gibt.«
Jonas hatte sich vorg ebeugt, seine Hände spielten im Sand. Die Spitzen seiner Haare verfärbten sich bereits wieder in sein persönliches sommerliches Blond, stellte sie berührt fest. Wie damals, als er noch ein kleiner Junge war.
» Lene, ich an deiner Stelle würde mitfahren nach Toulouse, mir den Mann selbst anschauen. Schlag das dem Kommissar doch vor. Dann kannst du dir ein besseres Bild machen. Und Jean-Pierre ist auch interessant. Wie denkt er eigentlich?«
Lene erzählte von seiner Ausführung über die Kirche und die Reinka rnation in Brigittes Tagebuch. „Das mit der Kirche und ihrem Verbot der Reinkarnation war Anfang der Achtzigerjahre ein brisantes Thema. Soweit ich mich erinnere, hat Hans Küng, der Religionsphilosoph, zu der Zeit über das Tilgen der Reinkarnationslehre durch das fünfte Konzil geschrieben. Wir haben damals viel darüber diskutiert. Mit vielen Anfeindungen für ihn seitens der Kirche. Zumindest kostete ihn seine kritische Analyse der Unfehlbarkeit der Päpste seinen
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