Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Depressionsfalle

Die Depressionsfalle

Titel: Die Depressionsfalle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien> , Alfred Springer
Vom Netzwerk:
nicht als Nebeneffekte der Medikamente auftreten, sondern auch weiterhin Reaktionen auf umweltbedingte Faktoren – Ängste und Stress – verkörpern.
    Grundsätzlich ist auch zu bedenken, dass es immer problematisch erscheint, Kindern und Jugendlichen Arzneimittel zu verabreichen, die im Gehirn zur Wirkung kommen und auf vielfältige und letztlich noch nicht ganz verstandene Weise in den Hirnstoffwechsel eingreifen. Das Argument der Suchtprävention, dass der Konsum von Drogen und Alkohol in diesem Lebensabschnitt besonders gefährlich ist, weil er Reifungsprozesse im Gehirn behindert, muss auch für psychoaktive Stoffe Geltung haben, die (noch) als Arzneimittel eingesetzt werden. Pharmakologische Auswirkungen von psychoaktiven Stoffen sind nicht daran gebunden, ob eine Substanz in der Apotheke erhältlich ist oder nur auf dem Schwarzmarkt erworben werden kann.

11
Gute Therapie
oder gutes Geschäft?
Wege und Irrwege
der Pharmaindustrie
    Arzneimittel produzierende Betriebe zählen zu den größten und profitabelsten multinationalen Konzernen der Welt. Im Jahre 2002 übertrafen weltweit die Verkaufszahlen von Pharmaka die Marke von 400 Milliarden Dollar. Die Pharmaindustrie unterliegt den gleichen Zielvorstellungen und Zielvorgaben wie andere Industrien: Sie arbeitet gewinnorientiert und will ihren Marktwert aufrechterhalten. Daher ist sie daran interessiert, die Preise für ihre Produkte hoch zu halten bzw. immer neue Produkte zu vermarkten, die neu patentiert werden und hohe Preise erzielen.
    Generell ist davon auszugehen, dass eine durchschnittlich große Pharmafirma fünf bis sieben signifikante neue Produkte im Jahr braucht, um durchschnittliches Wachstum zu erreichen und um damit die Aktionäre zufriedenzustellen. Dieses Ziel ist heute kaum mehr zu erfüllen, und daher kam es zu großen Umstrukturierungen, um dennoch das Verlangen nach Profit zu befriedigen. Zu diesen Veränderungen zählen Zusammenschlüsse und neue Schwerpunkte in der Produktion von sogenannten „Ich-auch“-Arzneimitteln. Darunter versteht man Kopien älterer bekannter Substanzen, die kaum einen merklichen Fortschritt bedeuten und den graduellen Richtungswandel von der harten und kostspieligen Arbeit, neue Substanzen zu entwickeln, zur aggressiven Bewerbung der bereits existenten und ihrer Nachfolger verdeutlichen.
    Auf diese Weise wird daran gearbeitet, über Verkaufsschlager – „Blockbuster-Arzneimittel“ – zu verfügen. Angesicht der Forderung nach hohen Profiten sind solche Stoffe zu einer ökonomischenNotwendigkeit für das Überleben der Firmen geworden. Dieser Prozess spiegelt sich in Zahlen wider: 1991 machte der Verkauf von Blockbustern 6 Prozent des Umsatzes aus, 10 Jahre später, 2001, war dieser Anteil auf 45 Prozent gewachsen.
    Mit neuen psychoaktiven Substanzen (den Antidepressiva vom SSRI/SRNI-Typ und den „atypischen“ Antipsychotika) war es der Pharmaindustrie gelungen, seit etwa 40 Jahren eine neue Kategorie von Blockbustern in den Markt einzubringen. 2001 repräsentierten die SSRIs immerhin 10 Prozent aller Verkaufsschlager. Die fünf Spitzenreiter in dieser Stoffgruppe brachten zwischen einer und drei Milliarden Dollar pro Jahr ein. 2002 betrug der weltweite Umsatz psychoaktiver Stoffe mehr als 32 Milliarden Dollar. Dabei handelt es sich um einen Wachstumsmarkt. Man nimmt an, dass weltweit die jährliche Zuwachsrate 6,8 Prozent beträgt; für die USA werden 7 Prozent angenommen. 2007 prognostizierte man, dass der weltweite Markt für psychiatrische Arzneimittel einen Umsatz von 50 Milliarden Dollar erreichen werde. Die USA gelten als der größte Markt für diese Substanzen. Weitere relevante Märkte sind Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien, Großbritannien und Japan. Aber auch in der Schweiz erzielte die Pharmabranche allein mit Antidepressiva 2008 einen Umsatz von gut 180 Millionen Franken – mehr als mit jeder anderen Medikamentengruppe.
    Um ihre führende Position innerhalb der Industrien aufrecht zu erhalten, entwickelte die Pharmaindustrie diffizile Werbestrategien und Methoden der Beeinflussung: politisches Lobbying, Versuche, die Patente auf die Produkte zu schützen bzw. stets zu erneuern, die Publikation der Ergebnisse der klinischen Überprüfungen und die Bewerbung der Substanzen bei Ärzten und dem Gesundheitspersonal – in manchen Ländern auch direkt beim

Weitere Kostenlose Bücher