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Die Depressionsfalle

Die Depressionsfalle

Titel: Die Depressionsfalle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien> , Alfred Springer
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Rang 4 hinsichtlich tödlich verlaufender Vergiftungen ein.
Der gesellschaftspolitische Hintergrund
    Analysiert man den gesellschaftspolitischen Rahmen, in dem diese Entwicklung stattfand, erkennt man, dass er in direktem Zusammenhang mit einer fundamentalen Umorientierung des Verständnisses des gesunden und kranken menschlichen Seelenlebens und damit der Psychiatrie in Lehre und Praxis steht. Die 1990er Jahre wurden zum „Jahrzehnt des Gehirns“ erklärt, die Neurowissenschaft arbeitete mit neuen Methoden, ein neuer Materialismus machte sich breit, in dem die Psychiatrie sich als Naturwissenschaft und als medizinische Disziplin neben anderen positionierte. Seit der Entwicklung der klassischen Antidepressiva befand sich die Psychiatrie in einer Umstrukturierung. Zu lange war sie schon wegen ihrer Psychologielastigkeit nicht als „richtige“ medizinische Disziplin wahrgenommen worden. Der Ausweg wurde darin gefunden, die körperlichen Aspekte der psychiatrischen Krankheiten ins Zentrum zu rücken, den Psychosen den Status von Hirnkrankheiten zu geben und diese Krankheiten dann auch entsprechend medikamentös zu behandeln. Die biologische Psychiatrie vertritt seit dieser Zeit explizit den Standpunkt, dass die Depression und andere psychiatrische Krankheitsbilder als „Erkrankungen des Gehirns“ zu verstehen sind. Die Pharmaindustrie griff diesen Trend der Psychiatrie auf, bestärkte ihn und nutzte ihn für ihre Zwecke aus. Aus dem Zusammenwirken des Interesses der Psychiatrie, sich als gleichberechtigte Disziplin innerhalb der Medizin zu etablieren, und den Profitinteressen der Industrie ergab sich notwendigerweise eine enge Zusammenarbeit der beiden Institutionen. Die biologische Psychiatrie stilisierte sich zur führenden Kraft, die dynamische, von der Psychoanalyse beeinflusste Psychiatrie wurde verdrängt und der Psychoanalyse mehr und mehr ihr wissenschaftlicher Wert abgesprochen. Beobachter, die diesen Weg begrüßten, sprachen vom „Fall einer Ikone“. Auch die Umgestaltungen und Umformulierungen, von denen die Entwicklung der Diagnostik gekennzeichnet ist, wurzeln in der Verdrängung der Psychoanalyse, ihres Krankheitsverständnisses und ihrer Terminologie. Auf diese Weise verschwand die Neurose als diagnostische Kategorie. Die biologische Psychiatrie als medizinische Disziplin gewann auch an denUniversitäten mehr und mehr Einfluss, weil sie aufgrund ihrer Möglichkeit, mit der Industrie Forschungskooperationen einzugehen, über wesentlich mehr Mittel zu verfügen begann. Den gemeinsamen Interessen von Pharmaindustrie und akademischer Psychiatrie diente die simplifizierende Darstellung der Ursachen der Depression, die der Werbung für die SSRI zugrunde gelegt wurde. In einer Banalisierung der komplexen Verhältnisse des Hirnstoffwechsels wurde die Depression zu einem Zustand, der auf einem Mangel an Serotonin beruhte.
    Von den psychiatrischen Autoren wurde die simplifizierte, den Neurowissenschaften entnommene Serotonintheorie geliefert, und die Pharmaindustrie konnte im vollen Einverständnis mit den psychiatrischen Experten die Botschaft verbreiten, dass die Depression eine Erkrankung des Gehirns sei, ein Mangelzustand, der auf einer Imbalance des Serotoninstoffwechsels beruhe, und für den die Industrie geeignete, „hoch spezifische“ Mittel, eben die SSRIs, zur Verfügung hielte. Diese Botschaft wurde in der Ärzteschaft verbreitet, aber auch in die Öffentlichkeit gespielt. Auf diese Weise war es möglich, ein allgemeines Verständnis davon zu entwickeln, dass die Depression wie jede andere körperliche Krankheit behandelt werden könne und dass Menschen, die an depressiven Verstimmung leiden, ein SSRI in der gleichen Weise brauchen wie ein Zuckerkranker sein Insulin oder ein Mensch, der an einer Unterfunktion der Schilddrüse leidet, ein Schilddrüsenhormon. Das waren eingängige Slogans, die jeder verstehen konnte. Dieser Vergleich ermöglichte es auch, zu behaupten, dass die SSRI besonders gut verträglich wären, kaum Nebenwirkungen hätten und vor allem nicht eine Abhängigkeit hervorrufen würden wie andere Psychopharmaka. Natürlich wurde empfohlen, sie kontinuierlich einzunehmen, weil der Organismus sie benötige. Die Notwendigkeit des andauernden Gebrauchs der Antidepressiva konnte gut damit begründet werden, dass man die Depression als Dysregulation des Gehirns bezeichnete

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