Die Depressionsfalle
erleichtern es, auch für seltene Krankheiten ausreichend viele Patienten zu finden, die für die Studie notwendig sind.
⢠Die Testpersonen weisen seltener Erfahrungen mit anderen Arzneimitteln auf. Daher sind die Ergebnisse der Untersuchung zuverlässiger.
Dennoch sind die Regierungen dieser Länder an dem ökonomischen Gewinn interessiert, den die Zusammenarbeit mit groÃen Pharmakonzernen mit sich bringt.
Die Einwände, die gegen diesen forschungspolitischen Prozess geltend gemacht werden, sind einerseits medizinethisch begründet, weil die Versuchspersonen oftmals ausgebeutet werden und ihre Zustimmung zur Teilnahme an der Studie oftmals auf unzureichender Information beruht, andererseits wird aber auch die Brauchbarkeit und Ãbertragbarkeit der Ergebnisse in andere kulturelle Räume bezweifelt. Zum einen wissen wir, dass verschiedene Ethnien über verschiedene Enzymstrukturen verfügen, die in den Abbau von Arzneimitteln verwickelt sind, zum andern gibt es in den verschiedenen Ländern kulturell bedingte Bewertungen von Symptomen, deren Auswirkungen durch die Gleichschaltung der Diagnostik durch Diagnosemanuale und Fragebögen nicht ganz ausgeschaltet werden können. Besonders in der ersten Phase der Ãberprüfung neuer psychoaktiver Medikamente können die körperlich-klinischen Effekte der Substanzen durch kulturelle Faktoren, wie Einstellung der Ãrzte, Vorstellungen und Erwartungen der Patienten, vor allem aber durch Placeboeffekte verzerrt werden. Einige Studien sprechen dafür, dass sowohl die Auswirkung von Placebo-Effekten wie auch die Wahrnehmung und Beschreibung von Nebeneffekten stark kulturabhängig sind.
2009 wurde das Augenmerk auf dieses wachsende Problem durch einen Ãberblicksartikel von Glickman, Schulmann und Cairns im
New England Journal of Medicine
gerichtet. Die Situation wird von der niederländischen Einrichtung WEMOS und dem Zentrum für Forschung an Multinationalen Industrien (SOMO) kritisch überwacht. Diese Institutionen führen Forschung zu den Fragestellungen durch und sind in den internationalen Gremien vertreten. WEMOS veröffentlichte in den letzten Jahren zwei wichtige Publikationen:
The ethics of clinical drug trials in developing countries
und
The Globalization of Clinical Trials: Testimonies from Human Subjects
. SOMO veröffentlichte als wichtigen Beitrag den Band
Putting Contract Research Organisations on the Radar
.
Staatliche und private Ethikkommissionen in den USA und in Europa versuchen, die Standards der klinischen Forschung auch für die Länder, in denen das Outsourcing betrieben wird, durchzusetzen und die Schäden, die aus diesem Aspekt der Globalisierung erwachsen können, zu begrenzen. In den Richtlinien der FDA Guidance für die Industrie wird ausdrücklich festgestellt, dass Erkenntnisse aus im Ausland durchgeführten klinischen Studien nur akzeptiert werden, wenn âdie Studie gemäà den ethischen Prinzipien der Helsinki-Deklaration durchgeführt wurdeâ oder sich an den Gesetzen und Regeln des Landes orientiert, die gröÃtmöglichen ethischen Schutz garantieren.
Strategie 11: Transkulturelle Aktivitäten â Pharmakologische Kolonialisierung?
Der Fall Japan
Japan ist einerseits das Land mit der höchsten Selbstmordrate, andererseits weisen die statistischen Berichte über die Verteilungen der Krankheiten aus, dass in Japan die Diagnose Depression wesentlich seltener gestellt wird als in den westlichen Ländern. Und dies, obwohl die psychiatrische Versorgung auf hohem Niveau stattfindet. Die Versorgungsdichte ist hoch: Auf 100.000 Personen kommen mehr als sieben Psychiater. Die japanische Psychiatrie ist biologisch orientiert und baut auf den traditionellen europäischen Konzepten auf. In den 70er Jahren wurden die damals aktuellen antipsychiatrischen Konzepte aufgegriffen und in Reformen eingebaut. Hinsichtlichdes psychiatrischen Umgangs mit Depression besteht eine spezielle Situation. Bis in die 90er Jahre des 20. Jahrhunderts wurde von japanischen Autoren der Standpunkt vertreten, dass die Depression eine Krankheit sei, die lediglich westliche Nationen erfasse. In den 90er Jahren stieg dann die Selbstmordrate immer mehr an. Diese Entwicklung wurde zunächst mit der wirtschaftlichen Rezession in Verbindung gebracht, die damals bedrohliche AusmaÃe annahm. Gleichzeitig wurde auch über eine vermehrte Häufigkeit depressiver
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