Die Depressionsfalle

Einfluss der Industrie auf die Ärzteschaft zusammenhängt, der auf verschiedene Weise ausgeübt wird. Es wird darauf hingewiesen, dass die Analyse von Zahlungsflüssen darauf hindeutet, dass an Psychiater mehr Industriegelder fließen als an alle anderen Ärzte. Im fraglichen Zeitraum gab Forest für diese Art der Werbung mehr Geld aus als viele andere Firmen, die weitaus größer sind. Die Mittel, die von Forest 2008 für Ärzte bestimmt waren, wurden nur von den Firmen Eli Lilly, Pfizer, Novartis and Merck übertroffen – das heißt von Produktionsfirmen, deren Jahresumsatz fünf bis zehnmal größer ist als der von Forest. Dem Plan, den Forest 2004 für die Bewerbung und Vermarktung von Lexapro erstellte, sind detaillierte Informationen darüber zu entnehmen, wie die Firma den Ärzten Geld zuteilte.
Strategie 10: Die Verlagerung der Entwicklung von Arzneimitteln in Schwellenländer und Entwicklungsländer
    Bevor ein neues Arzneimittel patentiert und vermarktet wird, muss es eine komplizierte und aufwendige Abfolge von klinischen Untersuchungen durchlaufen. In verschiedenen Ländern bestehen verschiedene Regeln, die in klinischen Untersuchungen befolgt werden müssen. In Europa zum Beispiel bestehen strenge Vorschriften und es müssen ethische Prinzipien eingehalten werden. Als zentrale Forderung gilt, dass Personen, die an einer klinischen Untersuchung teilnehmen, über die Risiken, die sie eingehen, informiert werden und sich zur Teilnahme aufgrund dieser Information entschließen (informed consent). Immer öfter werden diese Untersuchungen in armen Ländern durchgeführt und außerdem von den Pharmakonzernen an andere Vertragspartner übertragen. Man hat die Beobachtung gemacht, dass bei dieser zweifachen Auslagerung die forschungsethischen Prinzipien Schaden leiden und die Personen, diesich zur Teilnahme an den Studien verpflichten, nicht ausreichend über die Risiken der Teilnahme informiert werden.
    Wir verfügen über keine exakte Kenntnis darüber, wie viele ihrer klinischen Untersuchungen die Arzneimittelfirmen in „Entwicklungsländern“ und BRICS-Staaten (den aufstrebenden Volkswirtschaften von Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) durchführen. Die Angaben schwanken zwischen 30 und 70 Prozent. Im Schnitt, nimmt man an, werden 40 Prozent aller klinischen Studien in diesen Ländern durchgeführt, die als „nicht-traditionelle Forschungsregionen“ codiert sind. Mehr als die Hälfte der Untersuchungen werden nicht von den Konzernen selbst durchgeführt, sondern werden an andere Vertragspartner (Contract Research Organisations – CROs) übertragen, die billiger, rascher und unkontrollierter arbeiten.
    Die Daten sind so ungewiss, weil es kein zentrales Erfassungs- und Kontrollsystem gibt, und weil die Firmen nicht verpflichtet sind, darüber Angaben zu machen, wo und wie viele Studien und nach welcher Methode sie durchgeführt werden. Das führt dazu, dass vergleichbare klinische Studien von verschiedenen Firmen an verschiedenen Orten gleichzeitig durchgeführt werden, wodurch unnötig viele Testpersonen den Risiken der Testuntersuchung ausgesetzt werden. Da die Pharmafirmen auch nicht verpflichtet sind, ihre Ergebnisse zu veröffentlichen, erleichtert diese Forschungslage das Unterdrücken negativer Resultate.
    Die großen Pharmafirmen verlagerten ihre klinischen Untersuchungen in Länder wie China, Russland, Indien, Brasilien, Südafrika und Polen. Laut NEMOS wurden auch in den USA Studien unter Bedingungen wie in Entwicklungsländern an Immigranten und an Ex-Gefängnisinsassen durchgeführt.
    Diese Länder bieten aus der Sicht der Pharmaindustrie günstigere Bedingungen für die Durchführung klinischer Untersuchungen als die traditionellen westlichen Forschungszentren:
    â€¢ Es ist billiger, die klinischen Untersuchungen in diesen Ländern durchzuführen.
    â€¢ Die Beschränkungen, die sich aus der forschungspolitischen Regulierung ergeben, sind entweder weniger stark ausgeprägt oder werden weniger aktiv umgesetzt.
    â€¢ Es ist einfacher, Versuchspersonen zu gewinnen, weil in diesen Ländern die Teilnahme an der Studie oftmals die einzige Chance ist, überhaupt behandelt zu werden, oder weil die Teilnehmer die Bezahlung, die ihnen angeboten wird, brauchen.
    â€¢ Die großen Bevölkerungen in den betreffenden Ländern