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Die Depressionsfalle

Die Depressionsfalle

Titel: Die Depressionsfalle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien> , Alfred Springer
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durch Suizid versterben, sodass die Elektrokrampftherapie trotz der oben genannten Risiken durchaus das Sterberisiko deutlich verringern kann.
    Die Wirksamkeit der Behandlung ist umstritten. Es gibt kein gesichertes, allgemein anerkanntes Wissen, ob die EKT strukturelle und bleibende Schäden im Gehirn verursacht. In der Wissenschaft stehen auf der einen Seite Autoren, die die Therapie mit Antidepressiva kritisch sehen. Edward Shorter und David Healy vertraten in ihrem 2007 veröffentlichten Buch
Shock Therapy
den Standpunkt, dass die EKT in der Anwendung ungefährlicher sei als die medikamentöse Behandlung, weil im Gegensatz zur Pharmakotherapie nie nachgewiesen werden konnte, dass die Strombehandlung zu Dauerschäden im Gehirn geführt habe. Diese Autoren erkannten der EKT-Methode auch zu, ein probates Mittel zu sein, die Selbstmordgefährdung der depressiven Patienten zu reduzieren.
    Auf der anderen Seite steht eine Literaturübersicht über die Wirksamkeit der Elektrokrampfbehandlung aus dem Jahr 2010, deren Autoren zu einer völlig gegensätzlichen Bewertung kommen: Die Behandlungsmethode weise ein hohes Potential auf, die Hirnsubstanz zu schädigen, sie unterliege in großem Ausmaß Placeboeffekten, sie reduziere keineswegs die Selbstmordhäufigkeit und sie lasse eigentlich in keinem Anwendungsbereich, also auch nicht in der Behandlungder Depression, einen Nutzen erkennen, der dafür sprechen würde, dass sie anderen Behandlungsmethoden überlegen sei. Demgegenüber vertraten prominente Psychiater in den USA 2011 erneut den Standpunkt, dass die Methode unverzichtbar sei für die Behandlung schwerer Fälle – zu einem Zeitpunkt, als die Food and Drug Administration FDA erneut die EKT als Hochrisikotherapie klassifizierte und neue Auflagen entwickelte, die die Anwendung erschweren sollten.
    Aus klinischer Erfahrung wissen wir, dass eine begrenzte, aber doch relevante Anzahl von depressiven Patienten die Wirkung der EKT positiv bewertet, und dass diese Personen nach ihrer Anwendung verlangen, wenn sie sich von einem erneuten Anfluten einer höhergradigen depressiven Verstimmung bedroht fühlen.
    Während die EKT früher als Paradigma für repressive und aggressive Therapiemethoden in der Psychiatrie angesehen wurde – man denke an MiloÅ¡ Formans Film
Einer flog über das Kuckucksnest
(1975) –, scheint die Methode heute gesellschaftlich akzeptabler geworden zu sein. Das lässt sich eventuell daraus ablesen, dass der Spielfilm
Helen
von Sandra Nettelbeck (2009), in dem das Schicksal einer depressiv erkrankten Frau nachgezeichnet wird, dem Publikum vermittelt, dass die EKT als letzte, akzeptable Lösung für die Behandlung eines schwer und zerstörerisch ablaufenden Krankeitsprozesses anzusehen ist. Auch Andrew Salomon bleibt bei seiner Darstellung der Behandlung und ihrer Schwächen und Stärken durchaus sachlich und ordnet ihr bestimmte Vorzüge gegenüber anderen Therapien zu.
Transkranielle Magnetstimulation
    Die transkranielle Magnetstimulation (TMS), die Vagusnervstimulation und die Tiefenstimulation des Gehirns haben eine noch kurze Entwicklungsgeschichte. Die TMS geht auf Forschungen zurück, die bereits Ende des 19. Jahrhunderts von dem französischen Arzt und Physiker Jacques-Arsène d’Arsonval durchgeführt worden sind. In ihrer modernen Gestalt geht sie auf eine Neuentwicklung zurück, die 1985 Anthony Barker an der Universität von Sheffield erarbeitet hat.
    Durch die TMS werden mit Hilfe starker Magnetfelder Bereiche des Gehirns sowohl stimuliert als auch gehemmt. Die Methode nutztdas physikalische Prinzip der elektromagnetischen Induktion. Eine tangential am Schädel angelegte Magnetspule erzeugt ein kurzes Magnetfeld von 200 bis 600 Nanosekunden Dauer mit einer magnetischen Flussdichte von bis zu drei Tesla. Die dadurch ausgelöste elektrische Potentialänderung in der schädelnahen Hirnrinde bewirkt eine Depolarisation von Neuronen mit Auslösung von Aktionspotentialen. Die Methode wird sowohl in der neurowissenschaftlichen Forschung wie auch in der neurologischen Diagnostik eingesetzt.
    Es wurde versucht, die Methode für die Behandlung von Depressionen zu nutzen, die mit Standardmethoden nicht behandelbar erscheinen, um damit über eine Alternative zur Elektrokrampfbehandlung zu verfügen. Die Resultate der ersten experimentellen Behandlungen sprechen jedoch dafür, dass auf

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