Die Depressionsfalle
unwahrscheinlich. Eine weitere Quelle für Schamgefühle ist das Tempo beim An- und Ausziehen, die Befürchtung, durch die Langsamkeit die Ordination zu blockieren, oder die Angst, etwas zu vergessen oder nicht schnell genug oder ârichtigâ auf Fragen antworten zu können. Dadurch werden Geduld und Zeitplan der Behandelnden auf die Probe gestellt. Bei den Patienten mobilisiert dies Schuldgefühle und die Angst, die Zeit des Arztes über Gebühr zu beanspruchen.
Themen und Ziele des psychotherapeutischen Prozesses mit alten Menschen:
⢠Die Aktualisierung alter psychischer Konflikte durch die derzeitige Lebenssituation: Das können z.B. Rivalitäten mit Geschwistern aus der Jugend sein, die jetzt â unbewusst â mit Mitbewohnern in einem Pflegeheim ausgetragen werden. Ein vorsichtiges Herstellen eines solchen möglichen Zusammenhanges hilft, mit den Heimbewohnern besser auskommen zu können.
⢠Das Bemühen, Verluste und Kränkungen mit normaler Trauer zu bearbeiten, um Depressivität einzugrenzen.
⢠Der Umgang mit der Sexualität: Sexuelle Bedürfnisse bestehen weiter im Alter, das vorsichtige, enttabuisierende Ansprechen dieses Themas hilft den betroffenen alten Menschen, Schuldgefühle abzubauen, die durch Wünsche nach einer neuen Beziehung ausgelöst werden oder die die Masturbation betreffen können.
⢠Das Management aktueller Krisen: Einsamkeit, soziale Isolation, Krankheit, Behinderung. Dabei ist die Erinnerung an vorhandene Ressourcen und die Unterstützung bei ihrer Nutzung wichtig, um möglichst viele autonome Bereiche zu erhalten: emotionale wie kognitive Ressourcen. Die Ermutigung, möglichst viele der alltäglichen Bedürfnisse alleine zu regeln, hilft, Depressionen einzugrenzen.
⢠Die Bedrohung durch Siechtum, Sterben und Tod.
⢠Die Beendigung der Therapie von Beginn an im Auge behalten. Sie muss mit den Patienten vorbesprochen und geplant sein, um allen Fantasien vorzubeugen, dass die Beendigung der therapeutischen Beziehung den Tod bedeuten könnte.
⢠Bedingungen/Schwierigkeiten von Seiten der Behandelnden.
Eine wichtige Bedingung auf Seiten der Behandelnden sind historische Sensibilität und Interessiertheit, um Lebenszusammenhänge zu verstehen. Die Kriegs- und/oder Nachkriegszeit hat unzählige Menschen traumatisiert: sei es durch Kriegshandlungen direkt, durch politische Verfolgung oder Vertreibung; das Ãberleben von Vernichtungslagern, das Wissen um die Ermordung, um Tötung oder Kriegsgefangenschaft von Angehörigen. Ãberlebende haben oft heftige, irrationale Schuldgefühle. All das erfährt im Alter oft eine schreckliche Aktualisierung, z.B. durch Berichte in den Medien über Kriegsgeschehen, Verfolgungen, etc.
Ãrzte/Ãrztinnen, Therapeuten/Therapeutinnen sind oft wesentlich jünger. Patienten und Patientinnen werden als Mütter/Väter/GroÃeltern erlebt, damit können auf beiden Seiten auch Schamgrenzen mobilisiert werden. Das einer Depression inhärente Zweifeln, das Infragestellen der Kompetenz eines jüngeren Arztes muss vor diesem Hintergrund verstanden und nicht nur als Abwertung interpretiert werden. Sehr schwer scheint es für jüngere Behandelnde zu sein, Sexualität im Alter als Thema zu verstehen und zu akzeptieren und es nicht ânicht wahrhaben zu wollenâ bzw. es zu verleugnen.
Ãrzte und Psychotherapeuten können sich durch das Erleben von Verfallserscheinungen auf Seiten der Patienten massiv bedroht fühlen. Ekelreaktionen über die Folgen des Verlustes von körperlichenFunktionen (Stuhlinkontinenz) können Schuldgefühle auf Seiten der Behandelnden wecken. Offensichtlicher körperlicher Verfall, besonders in Kombination mit depressiven Symptomen, provoziert bei den Behandelnden die Vorstellung und Angst, selbst so alt und krank zu werden. Damit werden Fragen der eigenen Sterblichkeit und des menschenwürdigen Sterbens aufgeworfen.
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Somatische Behandlungen
Unter somatischen Behandlungen verstehen wir Methoden, die direkt am Körper angreifen und körperliche Prozesse beeinflussen. Das Organ, an dem in der Psychiatrie diese Einwirkung betrieben wird, ist das Gehirn. Seit es die Psychiatrie als Wissenschaft und therapeutische Praxis gibt, werden somatische Methoden zur Beeinflussung psychischer Vorgänge und von Geisteskrankheiten angewendet. Die Methoden, die dabei Anwendung fanden, waren
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