Die deutsche Götterlehre
nichts gegen jenen und der Mensch geht aus allen Kämpfen mit den Riesen als Sieger hervor. Der auf das Gefühl ihrer sinnlichen Gewalt und Kraft trotzenden Riesennatur gegenüber steht dem Menschen die Gewalt und Kraft der Götter und die Schlauheit und Weisheit der Zwerge zur Seite. Von den Göttern ist es besonders Donar, der ihn vor den Riesen schützt und sich dadurch theilweise den schönen Namen eines Freundes des Menschengeschlechtes erwarb.
In der Schöpfung ist der Riese als das sinnliche Element vorangegangen und hernach erst das der elbischen Natur gefolgt, zuletzt durch das Menschengeschlecht ein Gleichgewicht hergestellt worden. Aber ebensowenig wie der Zwerg sich streng von dem Menschen scheidet, thut dies der Riese; wie der Mensch überhaupt den Mittelpunkt der Wesen bildet, so vereiniget er auch diese starren Gegensätze des Sinnlichen und Geistigen, er verbindet sich wie mit Elben und andern Genien, so auch mit den Riesen. Das ist jedoch nicht allen Menschen gegeben, dieses Vorrecht besitzt der Mensch nur in sofern, als er den Göttern, den Herren alles Erschaffenen nahe steht und ihres Blutes ein Theil in seinen Adern rollt. Nur der Held, der an Körperkraft über andern seines Geschlechtes Stehende und von den Göttern Geschützte, geht Brüderschaft mit den Riesen ein oder unterwirft sie sich, so dass sie ihm zu Dienste verpflichtet sind.
Der Namen für den Begriff Riese hatte unser Alterthum manche, so Durs (der Durstige oder Trunkne), Ezan (der Fresser), Hun , Riso .
Wie ihre Grösse sie von den Menschen unterschied und weit über dieselben erhob, so auch, dass sie oft mehr Häupter und Arme hatten, eine Eigenschaft, die sie mit griechischen Riesen theilten. Das kommt jedoch seltner vor, wir finden sie meistens von tadellosem Wuchs und ihre Frauen, wie sich das von selbst versteht, selbst von höchster Schönheit, wie z. B. die Riesentochter Gard, die Geliebte Fros. Ueberhaupt waltet in ihnen volle Naturkraft, die jedoch ungebändigt und nicht gezügelt, leicht misbraucht wird und dann zuletzt der eignen Last erliegt. Zwar finden wir einige der frühesten Riesen des Nordens als klug und weise geschildert, doch sind sie im Allgemeinen dumm und erliegen leicht den verständigern Menschen und den verschlagenen Zwergen. In unserer Redensart: »Er ist so dumm als lang« hat sich die Erinnerung daran erhalten und wenn wir den Teufel dumm nennen, so geschieht das nur, weil er an die Stelle eines alten Riesen trat, die er überhaupt oft einnimmt.
Mit der Dummheit geht Gutmüthigkeit meistens Hand in Hand, und so finden wir denn auch die Riesen gutmüthig so lange sie nichts in ihrer Ruhe stört, aber wild, tückisch und heftig, sobald sie daraus aufgeschreckt oder gereizt werden. Der wuthentbrannte Riese schleudert Felsen, reibt Feuer und drückt Wasser aus Steinen, reisst Bäume aus und stampft mit dem Fuss bis ans Knie in die Erde. In diesem Zustand werden sie von den Helden, denen sie dienstbar sind, in Fesseln gelegt und nur im Krieg gegen den Feind losgelassen. Wie schon bemerkt ist der Donnergott der glorreiche Bekämpfer der Riesen, die er mit seinem allzerschmetternden Hammer erschlägt, 72 wovon die Edda viel, aber bei weitem nicht Alles weiss. Den Helden sind die Riesenkämpfe eben so geläufig, wie die Drachenkämpfe. Dietrich erschlägt die beiden Riesenbrüder Ecke und Fasolt , die Söhne eines wilden Riesenweibes, mit ihnen Rütze , ihre Muhme, und den Riesen Sigenot . Dagegen finden wir den vierhändigen, zwei Schwerter führenden Riesen Asprian als Rothers Gesellen; ebenso den Riesen Heime , welchen Dieterich sich schon in früher Jugend unterworfen hatte, den Sohn Madelgers, (ähnlich wie Asprian mit vier Ellenbogen bedacht) und Wittich , der stets mit Heime zusammen genannt wird, in Dieterichs Gefolge.
Die Riesen hausen stets auf Felsen und Bergen, ihre ganze Natur hängt mit dem Steinreich zusammen, aus ihm nehmen sie ihre Waffen. Darum vermag auch das Schwert so wenig gegen sie, nur mit dem Schwertknopf oder der Faust können sie erschlagen werden. Sie bilden ein abschliessendes Volk, wohnen jedoch meist nur in einzelnen Familien zusammen, seltner in grösserer Anzahl. Sie sollen die Errichter jener ungeheuern Steinbauten sein, die man unter dem Namen Hünebetten im Nordwesten Deutschlands und den Niederlanden so oft angrifft, und die oft auch als ihre Gräber ausgegeben werden. Unfern Altenhagen finden sich am hohen Gebirge viele Felsen und einzelne auf der Oberfläche der
Weitere Kostenlose Bücher