Die deutsche Götterlehre
den Spiegel des Brunnens, opfert erbettelte Nadeln, Zwirn und etwas Korn, welches man in die Quelle wirft, und sieht zu, ob das Kleidungsstück untersinkt oder schwimmt. Im ersten Falle stirbt der Kranke, wenigstens wird er nicht genesen, im andern Falle zieht man das meistens dazu benutzte Hemd schnell heraus und dem Kranken nass an, dann ist er gerettet. Auch Hungersnoth, Sterbefälle und anderes Unheil verkünden die Quellen voraus und zwar die erste solche, welche nur wenn sie bevorsteht erscheinen: dieser Hungerquellen, Hungerbrunnen ist Deutschland voll. Auch ohne Rücksicht auf bestimmte Brunnen wird aus dem blossen Wassermessen theure oder wohlfeile Zeit, Abnahme oder Zunahme der Güter erforscht, je nachdem das in ein Gefäss gegossene Wasser steigt oder fällt. Wenn des Landesfürsten Tod bevorsteht, hält der Fluss wie trauernd in seinem Laufe ein, die bis dahin reich sprudelnde Quelle versiegt, wenn der Herr des Geschlechtes bald stirbt.
Ueberwallen der Quelle, ihr stärkeres und Gefahr bringendes Hervorsprudeln gilt als ihr Zorn und man sucht sie durch Opfer und Gebet zu besänftigen. Als noch im Jahr 1641 der für unergründlich gehaltene Blautopf in Württemberg so mächtig sprang, dass die Stadt Blaubeuern in Gefahr gerieth, warf man zwei vergoldete Becher hinein, worauf die Quelle sich zurückzog und ihr Toben nachliess.
Eine Heiligung des neugebornen Kindes durch Wasser bestand schon vor dem Christenthum und vor Einführung der Taufe bei den nordischen Heiden. Ebenso badete man zu heiliger Zeit, gewöhnlich am Abend vor Johannis. So sah Petrarca, als er Cöln besuchte, das ganze Ufer mit Frauen bedeckt, welche mit köstlich riechenden Kräutern umgürtet, unter Hersagung geheimnisvoller Sprüche die entblösten Arme und Hände in der Flut wuschen, und er vernahm auf seine Frage, was dies bedeute, es sei ein uralter Gebrauch, welcher jedes Jahr an diesem Tage stattfinde und die Frauen glaubten, dadurch sich vor allem während des Jahres drohenden Unheil zu sichern und zu schützen.
Bei den Flüssen standen Strudel und Wasserfälle in besonderer Verehrung. Die Flüsse selbst und die Bäche dachte man sich ursprünglich von Göttern und andern höhern Wesen aus Schalen und Urnen ausgegossen, wie man denn auch den Regen aus Schalen der Himmlischen entsendet glaubte. Trat lange Dürre ein, so flehte man zwar zu den Göttern um Gewährung desselben, bediente sich jedoch auch eines eigenthümlichen Zaubers zu dessen Erlangung, der auch unter vielen andern Völkern im Gebrauch war. Ein junges Mädchen wurde ganz entkleidet, man band ihm mit dem kleinen Finger der rechten Hand ausgerissenes Bilsenkraut an die kleine Zehe seines rechten Fusses, worauf es von den andern Jungfrauen feierlich zum nächsten Fluss geführt und mit der heiligen Fluth besprengt wurde. Bei den Serben umwand man es dergestalt mit Gras, Kräutern und Blumen, dass von der Haut und selbst dem Gesicht nichts zu sehen war. Vor jedem Hause tanzte es in der Mitte eines Reigens der andern Jungfrauen, worauf die Hausfrau vortrat und eine Mulde Wasser über das Mädchen ausgoss. Bei dem Tanze wurden Regenlieder gesungen, deren eines u. a. heisst:
Zu Gott fleht unsre Doda, oj dodo oj dodo he!
Dass Thauregen sich ergiesse, oj dodo oj dodo he!
Dass nass werden alle Ackrer, oj dodo oj dodo he!
Alle Ackrer, alle Graber, oj dodo oj dodo he!
Selbst im Hause alle Knechte, oj dodo oj dodo he!
Man war sicher, dass der Regen bald erfolge. Sinn der ganzen Handlung ist, wie das Wasser über die Doda ausgegossen wird, die eine Personification des grünen aber dürstenden Feldes scheint, so möge sich Regen und Thau über die Fluren und Felder ergiessen: es ist die geheimnisvolle echtsymbolische Beziehung des Mittels auf den Zweck, der wir in unseren Aberglauben tausend- und aber tausendmal begegnen. Eine ähnliche uralte Feier ist in Oesterreich jetzt in eine derbe Pfingstlustbarkeit ausgeartet: Die Jungen im Dorfe wählen sich einen Pfingstkönig, kleiden ihn mit grünen Zweigen, schwärzen ihm das Angesicht und werfen ihn in den Bach.
Auch das Feuer galt gleich dem Wasser für ein lebendiges Wesen. Wie die Quelle aus der Erde Schooss in endloser Thätigkeit hervorquillt, über die Steine springt und nach der Vereinigung mit ihres Gleichen strebend den Strömen und endlich dem Meere zueilt, so züngelt die Flamme in steter Beweglichkeit, verschlingt was von leichteren Stoffen in ihre Nähe kommt und wird entfesselt zur furchtbaren Zerstörerin. Der
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